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Der Schulweg ist ein Lauf ums Leben

Köpenicker Eltern wandten sich sorgenvoll an Behörden: Für Autos Grünphase, für Kinder nicht Von Karin Nölte

  • Lesedauer: 3 Min.

Die grüne Lunge Berlins wird vom Verkehrschaos stranguliert. Bauarbeiten, aufgerissene Straßen, Umleitungen machen seit Jahren im Südosten allen Verkehrsteilnehmern das Leben schwer. Verschärft wurde die ohnehin extreme Situation, als im März dieses Jahres die Rekonstruktionsarbeiten an der Stubenrauchbrücke begannen. Die Verbindung zwischen Treptow und Köpenick wurde zum Nadelöhr. Weil auch in umliegenden Straßen, so in der Wilhelminenhofstraße, gebaut wird, rollt der Verkehr in Oberschöneweide oft gar nicht mehr, bis Karlshorst in Lichtenberg stehen die Stauschlangen - oder es wird gerast.

Mitten drin liegt die Edison-Grundschule an der Wattstraße. Wo schon immer gefährliches Verkehrsgemenge flutet, ist die Lage jetzt durch zusätzliches Autoaufkommen auf Umwegen noch dramatischer. Eltern leben in ständiger Angst um ihre Kinder, auf Lehrern lastet die Verantwortung, auf die Schüler aufpassen zu müssen. Für die 297 Kinder

zwischen 5 und 12 Jahren ist der Schulweg ein Lauf ums Leben.

Die Schüler müssen täglich, auch mehrmals, die Kreuzung Edison-/Helmholtz- bzw. Zeppelinstraße überqueren. Nicht ein paar einzelne Kinder, sondern ganze Gruppen des offenen Ganztagsbetriebs, die in die nahe Wuhlheide, ins Freizeitzentrum oder Kino möchten. Das Problem: Die Lichtsignalanlage ist so geschaltet, daß Fußgänger nicht in einem Zug über die Straße kommen. Auf einer Mittelinsel ist Halbzeit. Nicht 30 Kinder, die eine Schulklasse bilden, höchstens 20 Kinder haben auf der schmalen Insel Platz. Da stehen sie dann zwischen vorbeirasenden Lkw, Pkw und Straßenbahnen. Besorgniserregend ist dazu das schlechte Vorbild von Erwachsenen, die wegen der langen Wartezeiten auf »Grün« schnell bei »Rot« über die Kreuzung rennen.

In täglicher Sorge um ihre Kinder schrieb die Schulkonferenz, die Elternvertretung, eine Eingabe an die Bezirksverordnetenversammlung (BW) Köpenick. Sie forderte darin, die Grünphase für Fußgänger zu verlängern, damit sie es ohne Halt über die Straße schaffen. Was nach leichter Lösung eines Überle-

bensproblems klingt, findet im Zuständigkeitsdschungel Berliner Behörden kein Gehör Die Eingabe datiert vom 11. November 1997! Die Kinder stehen noch heute auf der Kreuzungsmittelinsel.

Der zuständige BW-Ausschuß für Eingaben und Beschwerden hatte das Anliegen Anfang Februar, wie es das Gesetz will, über das Köpenicker Tiefbauamt an die zuständige Senatsverkehrsverwaltung und ans zuständige Polizeipräsidium weitergeleitet. Mitte Juli teilte der Ausschuß der Schulkonferenz mit, wiederholte Nachfragen seinerseits bei Polizei und Senat hätten ergeben, daß die Prüfung der Anfrage noch nicht abgeschlossen ist. Dann gingen die Zuständigen in Urlaub. Anfang September hakte das Tiefbauamt Köpenick noch einmal nach.

In der dann folgenden Antwort der Senatsverkehrsverwaltung war man natürlich »voller Verständnis«, doch müsse man die Belange aller Verkehrsteilnehmer, auch der Kraftfahrer und der Stra-ßenbahn, in Betracht ziehen. Mehrere Kreuzungen in dem Bereich seien zu koordinieren, und Autos und Bahnen kämen bei einer Veränderung der Phasen regelmäßig zum Halten, hieß es zur Begründung, nichts zu tun. Das Interesse an den Kindern gipfelte in der Anfrage, wieviele Gruppen in welcher Stärke denn täglich die Kreuzung passieren.

Köpenick hat nun wiederum die zuständige Polizei- und Senatsverwaltung gemahnt, die Entscheidung zu überdenken. Eine Antwort steht aus. Der Schulweg bleibt ein gefährliches Pflaster Dank Polizei und Senat, die dem Autoverkehr Vorrang geben. Gesamtelternvertreter Jürgen Eden kann »nur beten und hoffen, daß kein Kind überfahren wird«.

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