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Kein Geld in den Kassen

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Um so erstaunter waren die Offiziellen der Stadt Melk, als vor kurzem zwei Wegweiser zur örtlichen KZ-Gedenkstätte auftauchten. »Eine ist bei der Abzweigung nach der Autobahnabfahrt, die an-

dere direkt bei der Gedenkstätte. Aber keiner weiß, wer die aufgestellt hat.« Nun sind sie aber da, und die pikierte Einwohnerschaft rümpft die Nase. Glücklicherweise sind die zwei Tafeln unscheinbar winzig.

Es interessiert ja doch die wenigsten. Außer einmal im Jahr, Mitte Mai. Da kommen zwei Busse aus Richtung Mauthausen mit ehemaligen Insassen des KZ Melk. Die Gemeinde tut gerade das notwendigste für die ungebetenen Gäste. Der Bürgermeister begrüßt alle, dann singt ein Schulchor, anschließend werden ein Kranz niedergelegt und eine Schweigeminute gehalten. Sonst aber versucht sich die Gemeinde zurückzuhalten. Finanziell unterstützt sie die Gedenkveranstaltung nicht. »Die Gemeindekasse ist ziemlich leer«, weiß Anton Harrer.

So ist das eben mit Gemeindekassen. Aber auch in den Kassen der Republik herrscht Ebbe. Ursprünglich war geplant,

daß die Gedenkstätte, die sich auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Krematoriums befindet, zum Museum ausgebaut wird. Doch leider: Dafür fehlte das Geld. Jetzt ist die Gedenkstätte verwaist. Nur hin und wieder verirren sich einige Schulgruppen hierher und tragen sich ins Gästebuch ein. An den Wänden die Zeugnisse des Todes. Bilder von ermordeten KZ-Häftlingen und eine penibel aufgelistete Statistik der SS über die Toten: 1575 Polen, 1432 Ungarn, 546 Franzosen, 388 Sowjetbürger, 302 Italiener, 174 Jugoslawen, 150 Deutsche, 101 Griechen, 36 Balten, 26 Holländer, 22 Tschechen, 17 Norweger, 12 Spanier, 9 Belgier, 3 Schweizer, 4 Luxemburger, 2 Türken, 1 Portugiese, 1 Albaner und 2 Staatenlose.

Als das Konzentrationslager im April 1945 angesichts des Vormarschs der Roten Armee geräumt wurde, starben abermals 76 Häftlinge. Eigentlich hätte es zur Evakuierung gar nicht mehr kommen sollen: Die Gauleitung hatte aus Berlin Befehl erhalten, alle 7500 im Lager verbliebenen Häftlinge in die Produktionsanlagen des »Quarz«-Werkes zu treiben und den Stollen zu sprengen. Die örtlichen Behörden verhinderten das aus Angst vor der Repression der Alliierten. »Humanitäre Gründe haben dafür kaum eine Rolle gespielt«, glaubt Harrer.

Im Stadtmuseum von Melk erfährt man davon nichts. »Beengte Platzverhältnisse«. Nur im Archiv befindet sich eine Kiste mit Materialien. Zum 100jährigen Jubiläum der Erhebung Melks zur Stadt möchte das Museum aber auch das dunkle Kapitel der Vergangenheit aus der Requisite holen. »Natürlich werden wir auch dazu etwas machen. Einen kurzen Abriß eben. Da wird dann auch das KZ mit zwei, drei Fotos behandelt werden«, verspricht Anton Harrer.

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