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Die »gewisse Fehlerquote«

Alliierte Piloten operieren aus guten Gründen oft nur »halbblind« Bombenterror Von Rene Heilig

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Wetter hat sich gebessert. Nun könne man die beweglichen militärischen Ziele ausmachen und vernichten. Sagt die NATO und tut das Gegenteil.

Zu Wochenbeginn hat der Grünen-Abgeordnete Helmut Lippelt herausgefunden, daß die Serben auf die NATO vor allem deshalb so wütend sind, weil Milosevic ihnen objektive Informationen vorenthält. Lippelt wollte Flugblätter abwerfen lassen...

Längst geschehen. »Die NATO will keinen Streit mit dem serbischen Volk« steht darauf. Dazu sind Fernseh- und Radiofrequenzen vermerkt. Auf denen senden seit Tagen USA-Spezialisten. Von Bord einer Hercules-Maschine, aus 7000 Metern Höhe und in serbokroatischer Sprache. »Commando Solo« fliegt im Auftrag der US Information Agency Die ist geübt im Bearbeiten von Nachrichten. Dennoch dürfte es den Psychokriegern schwerfallen, bombardierten Menschen klarzumachen, warum Brücken zerstört, Raffinerien in Brand gesetzt und Wohnhäuser dem Erdboden gleichgemacht werden.

So wie in Aleksinac, einer Stadt im Südosten von Serbien. Am Montag fielen auf sie sieben Bomben. Ergebnis: Ein ganzer Häuserkomplex nahe dem Zentrum versank in Schutt und Asche. Bis-

lang zog man zwölf tote Zivilisten unter den Trümmern hervor.

»Eine gewisse Fehlerquote ist nicht zu vermeiden«, kommentierte der im Brüsseler NATO-Hauptquartier für Öffentlichkeitsarbeit zuständige britische Luftwaffengeneral David Wilby. Er bedauere ... Doch schuldig ist - wie immer - der jugoslawische Präsident.

Wilby gehört zu jenen, die ein hohes Lied auf die Fähigkeit der NATO zu »chirurgischen Schlägen« gesungen haben. Wider besseres Wissen. Denn bereits bei den Angriffen auf Irak hat sich gezeigt, daß selbst die modernsten US-amerikanischen Cruise Missiles - trotz Bodenfolgeradar und Satelliten-Navigation - eine bis zu zehnprozentige Abweichung vom programmierten Ziel hatten. Um techni-

sche Fehler ihres Produkts auszuschlie-ßen, verweisen Boeing-Techniker auf meteorologische Einflüsse.

Bei der Ursachenforschung ging es um viel Geld. Klagen ehemaliger GI's standen an. Sie hatten - als Infanteristen eingesetzt - schwere gesundheitliche Schäden erlitten, als solche angeblichen Raketen-Irrläufer unplanmäßig irakische C-Waffen-Lager sprengten.

Die Gefahr besteht in Jugoslawien nicht, noch hält die NATO Bodentruppen an der Leine. Also kann man, ohne eigene Leute zu gefährden, Chemiebetriebe bombardieren. Gezielt oder wegen der »Fehlerquote« ist einerlei. Man erinnere sich an das Patt zwischen NATO und Warschauer Vertrag. Generale und Wissenschaftler beider Seiten wiesen damals im

Verein darauf hin, daß gerade Chemiebetriebe in bewohnten Gegenden nichts anderes sind als hochsensible zivile C-Waffen-Arsenale.

Um wirklich hochpräzise Schläge gegen militärische Einsatzmitttel und Stäbe der jugoslawischen Armee führen zu können, müßte die NATO zumindest zwei taktische Änderungen durchsetzen. Erstens müßte sie wohl oder übel Bodentruppen einsetzen. Elitetrupps. Man findet solche Teams bei den US-Seals-Marine-Taucher, bei britischen SAS-Einheiten oder in der französischen Marineinfanterie. Man muß sie unerkannt über feindlichem Territorium absetzen, damit sie anfliegenden NATO-Bombern mit Satellitenhilfe oder durch Laserbeleuchtung Ziele auf den Meter genau zuweisen können. Eine Vorauswahl der Ziele könnte unter anderem von der Bundeswehr-Drohnen-Batterie geliefert werden, die in Mazedonien stationiert ist.

Nach militärisch erfolgreichen Anti-Irak-Attacken war durchgesickert, daß es insbesondere der britischen SAS-Führung gelungen sein soll, harmlos wirkende und vor allem ortskundige arabische Oppositionelle als Zielzuweiser auszubilden, auszurüsten und einzusetzen. Bei dem seit Jahren betriebenen geheimen Training von UCK-Kämpfern hat man diese Einsatzmöglichkeit offenbar nur ungenügend in Betracht gezogen.

Zweitens müßten NATO-Flugzeuge näher an ihre Punktziele und damit in den Bereich der Truppenluftabwehr heranfliegen. Das und der Einsatz von Bomber-Einweisern steigert das Risiko immens. Regierende aller NATO-Staaten fürchten nichts mehr, als den Tod eigener Soldaten rechtfertigen zu müssen.

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