Zeitspiel der Gaskonzerne

EU-Kommission prüft Maßnahmen gegen Wettbewerbshindernisse

  • Holger Elias, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Streit um die Preispolitik der deutschen Gasversorger hat sich auch Brüssel eingeschaltet. EU-Wettbe-werbskommissarin Neelie Kroes erklärte, Brüssel befasse sich sehr intensiv mit den Behinderungen auf den Energiemärkten. Die langfristigen Lieferverträge zwischen den Gasgesellschaften und den Endkunden würden von vornherein Wettbewerb im deutschen Gasmarkt verhindern.
Das Scheitern der Verhandlungen zwischen dem Bundeskartellamt und deutschen Gasversorgern über deren langfristige Lieferverträge hat Brüssel auf den Plan gerufen. »Wir haben die Entwicklung mit sehr viel Interesse verfolgt und ziehen aus der Blockadehaltung von Ruhrgas unsere Schlüsse«, erklärte ein Sprecher von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Dabei entspreche der Standpunkt des Bundeskartellamtes zur Öffnung des deutschen Gasmarktes »voll und ganz den Bestrebungen der EU«. Die Ankündigung von Kartellamtschef Ulf Böge, die langfristigen Gasverträge nun per Verfügung untersagen zu wollen, begrüßt die Kommissarin. Böges Begründung, dass die teilweise bis zu 20 Jahre laufenden Lieferverträge zwischen den Gesellschaften und den Endkunden den Wettbewerb auf dem deutschen Gasmarkt hemmen, werde »vorbehaltlos unterstützt«. Zudem sei es unbestreitbar, dass sowohl Konsumenten als auch die Industrie von einem offenen Markt profitieren würden. Die EU-Kommissarin hatte in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sich ihre Behörde im aktuellen Streit zwar in der Öffentlichkeit bewusst zurückgehalten hatte, um die Gespräche zwischen den Gastunternehmen und dem Kartellamt nicht zu beeinflussen. Doch die EU-Kommission hat bereits vor Monaten eine Befragung im Energiesektor begonnen, um einen Überblick über potenzielle Wettbewerbsbehinderungen zu erhalten. Die Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres auf dem Tisch liegen. Danach will die Kommission über die Möglichkeit einer Intervention beraten. Inzwischen melden sich weitere Experten zu Wort. Ein Beamter der zuständigen EU-Kommission bezeichnete gegenüber ND die Begründung der Gasversorger, sie hätten schließlich selbst langfristige Verträge mit Lieferanten, als »absurd und nicht wettbewerbs-tauglich«. Dies könne »Knebelverträge mit den Endkunden weder rechtfertigen noch begründen«. Zudem sei die Kopplung der Gaspreise an die des Erdöls, die historisch gesehen sicher ihre Berechtigung gehabt habe, inzwischen »völlig überholt« und müsse abgeschafft werden. Die E.ON-Tochter Ruhrgas, an deren harter Haltung die Verhandlungen mit dem Bundeskartellamt gescheitert waren, scheint inzwischen zu kleineren Korrekturen bereit. Vorstandschef Burckhardt Bergmann erklärte unmittelbar nach der Reaktion aus Brüssel, das Unternehmen wolle nun eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen und bei Neuverträgen Begrenzungen in Laufzeit oder Lieferumfang anbieten sowie bei Altverträgen Übergangsregelungen schaffen. Eine Marktabschottung sieht Bergmann nicht. Bei rund einem Viertel des Geschäftes mit Weiterverteilern decke die Ruhrgas bereits weniger als 50 Prozent des Bedarfes einzelner Kunden ab. Und bis zum Geschäftsjahr 2008/2009 enden Lieferverträge über rund 40 Prozent des Absatzes der Ruhrgas an Stadtwerke und Weiterverteiler, so Bergmann. Gasmengen für die Industrie würden ohnehin überwiegend kurzfristig vermarktet. Der Wettbewerbs-Experte der EU zweifelte gegenüber ND an der Aufrichtigkeit solcher Ankündigungen: »Das ist nicht mehr als Kosmetik.« Das Unternehmen verdiene täglich Millionen und setze darauf, die Pfründe im Interesse ihrer Aktionäre möglichst lange zu sichern. Ruhrgas spiele deshalb »einzig und allein auf Zeit«. Die Kritik Bergmanns, das Vorgehen des Kartellamtes sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit gewesen, zeige, dass Ruhrgas an einer grundsätzlichen Lösung nicht interessiert sei.
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