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Geldregen und Tumult im Bundestag

Untersuchungsausschuss eingesetzt / Scharfe Attacken zwischen Regierung und Opposition

  • Lesedauer: 3 Min.

Einen Vorgeschmack auf die Schärfe der Auseinandersetzung über das Finanzgebaren der CDU und seine Folgen für die deutsche Politik lieferte gestern die Bundestagsdebatte zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Spendenskandal.

Berlin (ND-Richter). Während die Regierungsparteien SPD und Grüne die rechte Opposition mit einer Vielzahl von Fragen und durch die Debatte der vergangenen Wochen provozierten Vorwürfen konfrontierten, versuchten CDU und FDP, die Anschuldigungen als Unterstellungen und Verleumdungen abzutun. CDU/CSU-Fraktionschef Schäuble stimmte zwar dem Untersuchungsausschuss zu, lehnte es jedoch ab, dass außer möglicher Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch Schmiergelder auch die Finanzpraxis der CDU aufgeklärt werde. Einem solchen »Missbrauch« des Untersuchungsausschusses werde die CDU entschieden widersprechen.

Schäuble beteuerte in Abwesenheit des früheren Bundeskanzlers erneut, dass Entscheidungen der Regierung Kohl niemals käuflich gewesen seien, musste jedoch einräumen, dass er sich gemeinsam mit der ehemaligen CDU-Schatzmeisterin Baumeister früher einmal mit dem flüchtigen Waffenhändler Schreiber getroffen hatte. Dabei sei es jedoch nicht um Panzer, sondern um die Unterstützung des Wahlkampfes der CDU gegangen. Während seiner Rede flatterten plötzlich Kopien von Geldscheinen von der Besuchertribüne; ein jugendlicher Zuschauer wurde vom Saaldienst abgeführt.

Zu Tumulten kam es im Plenarsaal, als der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele unter Hinweise auf Medienberichte die früheren FDP-Minister Genscher und Möllemann der Annahme von Schmiergeldern verdächtigte. FDP-Generalsekretär Westerwelle nannte es eine »Unverschämtheit, solche Persönlichkeiten durch die Jauche zu ziehen« und verlangte ultimativ, eine derartige Unterstellung zurückzunehmen. Ströbele lehnte dies jedoch ab, weshalb FDP-Sprecher Jörg van Essen den Grünen gleich für alle Zeit das Recht absprach, sich eine Rechtsstaatspartei zu nennen. Ströbele richtete scharfe Angriffe gegen Helmut Kohl, der wie ein kleiner Ganove vor dem Kriminalgericht Moabit nur so viel zugebe, wie ohnehin schon bekannt sei. Er hinterfragte auch Kohls Äußerung, dass von ihm selbst getroffene Entscheidungen nicht käuflich gewesen seien: »Wie ist es mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung, zum Beispiel dem früheren Verteidigungs-Staatssekretär Pfahls, der mit Haftbefehl

gesucht wird, oder jenen, die dem Panzergeschäft nach anfänglichem Zögern doch zustimmten?«

Eher zurückhaltend positionierte sich die PDS. Deren Sprecherin Evelyn Kenzier sagte der CDU einen fairen Umgang im Ausschuss zu, auch wenn die PDS diesen seitens der CDU in der Vergangenheit oft nicht erfahren habe. Es gebe bei der PDS weder Schadenfreude noch Genugtuung, allerdings die Erwartung, dass die Untersuchungen zu gesetzgeberischen Konsequenzen für die Parteienfinanzierung führen. Sie erklärte sich mit der Ausweitung des Untersuchungsauftrages auf die früheren Oppositionsparteien einschließlich der PDS einverstanden; das wurde jedoch später mehrheitlich abgelehnt. Knapp ging die Abstimmung über den Antrag der Koalitionsparteien aus, den Steuerprüfer der CDU, Weyrauch, von seiner Schweigepflicht zu entbinden; ihm widersprach aus juristischen Erwägungen auch Gregor Gysi. Erst durch den »Hammelsprung« wurde eine Mehrheit von 230 Stimmen festgestellt.

Dem Untersuchungsausschuss werden 15 Mitglieder - sieben der SPD, fünf der CDU/CSU und je einer von FDP, Bündnisgrünen und PDS - angehören. Leiten soll ihn der SPD-Abgeordnete Volker Neumann, außerdem entsendet die SPD unter anderem den Kriminaloberrat a.D. Frank Hofmann, für die Grünen ist der Rechtsanwalt Christian Ströbele nominiert, die PDS benannte Evelyn Kenzier. Die erste Sitzung wird noch vor Weihnachten stattfinden. Seiten 2. 4 und 8

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