Amtlich zulässiges Deutsch

Auch der neue Wahrig wird nicht gegen den Duden ankommen

  • Reinhard Markner
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Es gibt viele Wörterbücher und Nachschlagewerke für die Rechtschreibung. Der Duden nimmt dabei für sich in Anspruch, das Standardwerk der Rechtschreibung zu sein. Andere Lexika führen ein Schattendasein. Zum Beispiel der Wahrig aus dem Wissen Media Verlag. Für einen neuen Duden ist in Buchhandlungen immer ein prominenter Platz frei. Wie einst Konservendosen werden die gelben Bände dann in den Filialen der großen Ketten aufgetürmt. Erscheint hingegen eine neue Ausgabe der Wahrig-Rechtschreibung, reicht es aus, in einem Regal hinten links etwas Platz zu schaffen. Dabei hatte es vor bald zehn Jahren so ausgesehen, als könnte die beherrschende Stellung des Dudens in Gefahr geraten. Eine »Chance, endlich auf dem Markt der deutschen Wörterbücher Fuß zu fassen«, nannte seinerzeit ein Mitglied der Verlagsleitung des Bertelsmann-Lexikon-Verlags die Rechtschreibreform. Vier Jahrzehnte lang war der Duden in der BRD gegenüber anderen Wörterbüchern privilegiert worden, galt er doch auf Geheiß der Kultusminister als »maßgebend in allen Zweifelsfällen«. Diese Wettbe-werbsverzerrung galt es abzustellen. »Das Ziel der Reform waren gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen«, gestand ein österreichischer Reformer 1998. Kaum war der VEB Bibliographisches Institut vom Mannheimer Ableger geschluckt, wurde die deutsche Rechtschreibung erneut verstaatlicht, um der Duden-Konkurrenz aufzuhelfen. Die Bertelsmann AG, die von 1988 bis 1993 keine deklarierungspflichtigen Parteispenden geleistet hatte, bedachte 1994 und 1995 CDU und FDP mit insgesamt 211 000 Mark. Nachdem die Reform alle politischen Gremien durchlaufen hatte, konnte die Lexikonsparte des Konzerns die »Einführung der Marktwirtschaft in das Ressort der deutsche Wörterbücher« feiern. Ungefähr zwei Millionen Rechtschreibwörterbücher aus Gütersloh fanden ihre Käufer - wenn auch nur zum halben Preis des Dudens. Einen Rest von zehntausend Exemplaren verschenkte man an Schulen in Schleswig-Holstein, als dort das Volksbegehren gegen die Reform in Gang kam. Der Profit reichte auch aus, um nebenbei die Marke »Wahrig« zu erwerben. Heute firmiert man als »Wissen Media« und kooperiert mit dem Berliner Schulbuch-Multi Cornelsen, der nach eigenen Angaben 100 Millionen Mark an der Reform verlor. Der neue Wahrig, der vor wenigen Wochen erschienen ist und auf der Revision der Recht-schreibreform von 2004 beruht, wird als schultauglich in allen Bundesländern angepriesen. Das dürfte er für die Dauer des laufenden Schuljahrs wohl auch bleiben. Verzeichnet sind natürlich alle amtlichen Varianten, selbst die ungebräuchlichsten. Die »fremdsprachige Schreibweise Kommuniqué« sei »neben der eingedeutschten Form Kommunikee zulässig«, heißt es da beispielsweise zur Beruhigung oder Erheiterung der Leser. (»Communiqué« fehlt, obwohl die Schweizer so schreiben.) Der Wahrig führt ferner im Unterschied zum Duden alle herkömmlichen Schreibweisen auf und ist so für deren Wiedereinführung gerüstet. In die richtige Richtung weist auch die zaghafte Bevorzugung vernünftiger Fremdworttrennungen wie etwa »Kon-struktion« gegenüber »Kons-truktion« oder »Konst-ruktion«. Die Redaktion verfährt hier aber nicht konsequent und stellt zum Beispiel »Bi-ologie« weiterhin gleichberechtigt neben »Bio-logie«. Solche Flickschusterei ist durch Kaufzurückhaltung zu bestrafen (beide Begriffe fehlen). Wer aber unbedingt ein für alle Zweifelsfälle taugliches Wörterbuch erwerben...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.