Knackpunkt Agrarsektor

Helmuth Markov über den Stand der WTO-Verhandlungen

  • Lesedauer: 4 Min.
Der Brandenburger Europaabgeordnete Helmuth Markov sitzt für die Linkspartei.PDS im Ausschuss für internationalen Handel des EU-Parlaments. Diese Woche nahm er als Delegationsmitglied der Linken Fraktion in Genf an Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der Welthandelsorganisation (WTO), WTO-Mitgliedsstaaten aus dem Süden und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen teil. Mit ihm sprach für ND Martin Ling.
ND: Die Landwirtschaft ist die zentrale Streitfrage in der laufenden Runde der Welthandelsorganisation (WTO). Am Dienstag ist der Versuch Frankreichs gescheitert, die EU-Kommission in Sachen Agrarhandelsliberalisierung an die Leine zu legen. Wo liegen die großen Streitpunkte?
Markov: Es sind drei zentrale Säulen. Die Exportsubventionen für die Ausfuhr von Agrarprodukten aus dem Norden bilden die erste, sie führen zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt. Im Süden kann sich eine solche Unterstützung kein Land leisten, deswegen fordert der Süden ein Ende dieser Praxis. Eine zweite Säule sind die heimischen Agrarbeihilfen. Die Subventionen werden drei Boxen zugeordnet - der gelben, blauen und grünen. Nur die gelben müssen laut WTO sofort, die blauen allmählich und die grünen gar nicht abgebaut werden. Nun versuchen die EU, insbesondere Frankreich, und die USA zum Verdruss des Schwellen- und Entwicklungsländerzusammenschlusses G 90 die Subventionen von der gelben in die blaue und grüne Box zu verschieben, ohne dass die Beihilfen verringert werden und die Wettbewerbsverzerrung aufgehoben wird. Die dritte Säule ist der Marktzugang. Selbst wenn die EU ihre Märkte komplett aufmachen würde, würde das vielen Entwicklungsländern nichts bringen, vor allem nicht jenen aus der G 33, der Gruppe der ärmeren Entwicklungsländer, weil diese oft nicht in der Lage sind zu exportieren. Auf die Marktöffnung drängen vor allem Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien, Indien etc.

Ist durch die Vorschläge der USA und der EU, zumindest für die Agrarexportsubventionen ein Auslaufen in absehbarer Zeit anzubieten, nicht doch Bewegung in die zähen Verhandlungen gekommen?
Ja, eindeutig. Bei unseren Gesprächen mit Vertretern der G 90 hatten wir das Gefühl, dass auch sie jetzt verhandlungsbereit sind. Nach dem Motto, wir sind ja alle freiwillig in die WTO gegangen, weil uns das im Prinzip besser hilft, als in bilateralen Verhandlungen über den Tisch gezogen zu werden. Entscheidend ist jedoch, dass das Ergebnis der Gesamtverhandlungen nicht dem Agrobusiness dienen darf, sondern vor allem den kleinen Erzeugern, im Norden wie im Süden.

Wie stellt sich die Linke Fraktion einen Ausweg aus der Sackgasse vor, in der sich die Doha-Runde befindet?
Handel ist ja nur ein Teil. Die in Doha 2001 angestrebte Entwicklungsrunde umfasst in ihrer Zielsetzung viel mehr. Da spielen die Millenniumsziele eine ganz große Rolle: Armutsbekämpfung, Zugang zu Wasser, Alphabetisierung, medizinische Versorgung. Entwicklung bedeutet letztlich, in den Regionen, in den Ländern die Voraussetzungen für eine eigenständige Entwicklung zu schaffen. Dafür bedarf es bei der WTO und anderen maßgeblichen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank eines grundsätzlichen Umdenkens. Ein Beispiel für konstruktive Entwicklungsförderung ist der europäische Strukturfonds. Alle zahlen in den Topf und dann wird das auf die armen Regionen verteilt. Die können die Mittel nach eigenständigem Ermessen einsetzen. Das wäre kein konditionierter Kredit, wie er von der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds vergeben wird.

Fördermittel für den Süden ohne Bedingungen?
Nur so können sie die regionale Wirtschaft aufbauen, ohne dass sich das in steigender Auslandsverschuldung niederschlägt, wie bei Entwicklungshilfe in Form von Krediten. Die zweite Forderung ist, den Ländern des Südens das Recht einzuräumen, ihre Märkte durch Zölle zu schützen, um sich zunächst selber entwickeln zu können. Drittens darf es keinen Liberalisierungsdruck auf die Basisversorgung geben - weder bei den Grundnahrungsmitteln noch bei Wasser, Bildung, Gesundheit etc. Und selbstverständlich sagen wir, dass die Exportsubventionen schnell gestrichen werden müssen.

Und wie steht es um die heimischen Subventionen und das Schutzbedürfnis der EU-Bauern?
Die heimischen Beihilfen sind nicht von heute auf morgen zu kappen. Das würde riesige Probleme mit sich bringen, nicht nur für die Bauern, sondern auch bei der Bereitstellung von Nahrungsmitteln in Europa. Strukturwandel ist ein langfristiger Prozess.

Wie soll denn die ländliche Zukunft in der EU aussehen?
Landwirtschaft muss auch als Pflege des ländlichen Raums begriffen werden. Das bedeutet, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen auf dem Land wohnen bleiben wollen. Dafür bedarf es öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Arztpraxen, Läden. Und selbstverständlich soll es weiter Landwirtschaft in der EU geben, aber nicht auf Kosten des Südens, sondern in Bereichen, wo die Vorteile in den klimatischen Bedingungen Europas liegen. Wir plädieren dafür, die Agrarbeihilfen weltweit in Beihilfen für den ländlichen Raum umzuwandeln.
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