Kampf um Tamiflu

Pharma-Konzern Roche verteidigt sein Grippemittel-Monopol

Wegen der sich ausbreitenden Vogelgrippe sind Grippemittel gefragt, die weltweit rar sind. Der Pharmariese Roche beharrt indes auf seinem Patentrechten.

Die weltweite Angst vor einer Vogelgrippe-Pandemie hat dem Pharmaunternehmen Roche volle Kassen beschert. Roche ist der Hersteller des derzeit einzigen wirksamen Medikaments zur Behandlung einer Infektion mit dem H5N1-Virus. Bei der Vorstellung des Quartalsergebnisses in dieser Woche präsentierte das Schweizer Unternehmen stolz ein Wachstum um 17 Prozent. Zwar hätten Mittel gegen Krebs den größten Beitrag zu dem Anstieg geleistet, aber durch die Vorsorgebestellungen vor allem von Regierungen habe der Tamiflu-Verkauf einen guten Anteil daran. Roche betonte auch, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) drei Millionen Einheiten Tamiflu gespendet zu haben. Mit der Veröffentlichung der tiefschwarzen Quartalsbilanz hat aber auch der Druck auf Roche zugenommen, die Herstellung von Generika - also billiger Nachahmerpräparate - zu ermöglichen. Die Kritiker des Tamiflu-Monopols von Roche argumentieren, durch die Produktion generischer Mittel könnte die zur Verfügung stehende Menge des Medikaments binnen kurzem deutlich erhöht werden. Zudem sei der Preis für Tamiflu selbst bei hohen Rabatten für staatliche Großbestellungen für Regierungen der Dritten Welt oft noch immer unbezahlbar. Das indische Pharmaunternehmen CIPLA hat inzwischen angekündigt, die Produktion einer generischen Version von Tamiflu aufzunehmen. Erste kleine Mengen könnten schon Anfang des nächsten Jahres auf den Markt kommen. Man nehme auch einen Rechtsstreit mit Roche in Kauf, betonte das in Mumbai ansässige Unternehmen. CIPLA verfügt als Hersteller generischer Aids-Medikamente über reichlich Erfahrung in juristischen wie politischen Auseinandersetzungen mit Pharmamultis in Patentfragen. Druck auf Roche kommt zudem aus Taiwan. Kuo Hsu-sung, Generaldirektor der dortigen Gesundheitsbehörde, sagte Anfang dieser Woche der Tageszeitung »The International Herald Tribune«, sein Land sei in der Lage, Tamiflu herzustellen. Man versuche jetzt, eine »Balance zu finden zwischen den Patentrechten von Roche und der nationalen Sicherheit«. Gestern vermeldete Taiwan den ersten Fall von Vogelgrippe. Roche will von der Erteilung von Lizenzen für die Generika-Produktion nichts wissen, versicherte jedoch in einer Pressemitteilung, alles zu tun, um die Produktionskapazitäten von Tamiflu weiter zu erhöhen. Das sieht die Weltgesundheitsorganisation jedoch anders. Deren Vogelgrippeexperte Klaus Stöhr sagte vor wenigen Tagen auf einer Konferenz in San Francisco, selbst wenn Roche für die nächsten zehn Jahre die Tamiflu-Produktion auf vollen Touren fahre, würde die Menge nur für 20 Prozent der Weltbevölkerung ausreichen. Experten der Vereinten Nation befürchten jedoch, im Falle einer Vogelgrippe-Pandemie könnten innerhalb weniger Wochen weltweit 150 Millionen Menschen betroffen sein. Inzwischen zieht auch die UNO die Möglichkeit einer generischen Produktion von Tamiflu und die Vergabe von Zwangslizenzen durch Roche in Erwägung, was nach den Regeln der Welthandelsorganisation in bestimmten Ausnahmesituation zulässig wäre. Patentrechte dürften nicht den armen Ländern Zugang zu lebensrettenden Medikamenten versperren, wie es im Fall von Aids geschehen sei, mahnte UN-Generalsekretär Kofi Annan vor wenigen Tagen bei einem Besuch bei der WHO an deren Sitz in Genf. Er fügte mit Nachdruck hinzu: »Ich würde nicht gerne wieder diese Debatte führen, wie wir sie im Fall der HIV-Medikamente hatten.« Die Pharmaunternehmen jedoch fühlen sich gerüstet, genau jene Debatte erneut zu führen. Seit Jahren führen sie als Hauptargument an: Wenn die Hersteller von Medikamenten gezwungen würden, ihre Mittel zu Discountpreisen zu verkaufen und Lizenzen zur Generika-Produktion zu erteilen, dann wäre die Branche nicht mehr in der Lage, in die Erforschung von Zukunftsmedikamenten zu investieren. Was Roche indes verschweigt: Das Verdienst, Tamiflu entwickelt zu haben, fällt dem kalifornischen Unternehmen Gilead Sciences zu. Dieses hat die Rechte an Roche verkauft...

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