Judasohr statt Zuchtchampignon

In Pilzen stecken wertvolle Vitamine und Mineralstoffe

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 3 Min.
Ihr Gehalt an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen hat Pilze in den USA zum »superfood« aufsteigen lassen. Da sie zu den wenigen Lebensmitteln gehören, die Vitamin D enthalten, könnte ihre Bedeutung auch hierzulande noch steigen.

Sie sind weder Fleisch noch Fisch, weder Gemüse noch Obst. Kein Wunder, dass viele Menschen Pilzen eher mit Misstrauen begegnen. Auch Ernährungswissenschaftler konnten den sonderbaren Gewächsen lange Zeit wenig abgewinnen. »Pilze als wichtiges Nahrungsmittel zu betrachten hat leider keine Tradition«, beklagt Prof. Jan Lelley, Geschäftsführer der Gesellschaft für angewandte Mykologie und Umweltstudien in Krefeld. Inzwischen hat sich das schon geändert. Angesichts ihres Gehalts an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen könnten Pilze weiter an Bedeutung gewinnen.

Vitamin D kommt vor allem in Fettfischen wie Heringen, Lachs und Sardinen vor, kleinere Mengen finden sich außer in Pilzen auch in Eiern, Fleisch, Milch und Butter. Die meisten Deutschen nehmen über Lebensmittel viel zu wenig Vitamin D auf, um den Tagesbedarf zu decken. Daher ist der Körper auf Eigenproduktion angewiesen: Bei Sonnenbestrahlung kann die Haut den Stoff selbst bilden. Gerade im Winter kommt es in unseren Breiten aber leicht zu Engpässen. Nach Angaben der Deutschen gesellschaft für Ernährung sind etwa 60 Prozent der Menschen hierzulande mit dem Stoff unterversorgt. Vor allem bei alten Menschen, die kaum noch aus dem Haus gehen, kann es zu einem bedenklichen Vitamin-D-Mangel kommen. Dadurch steigt die Gefahr von Knochenbrüchen: Das Vitamin trägt nämlich dazu bei, dass die Knochen hart sind. Und nicht nur das: Es gibt Hinweise, dass eine Unterversorgung mit Vitamin D das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Multiple Sklerose erhöht.

Wie viel Vitamin D Pilze enthalten, hängt offenbar stark vom Standort ab. Nur unter Einwirkung von ultraviolettem Licht verwandeln sie den Nährstoff Ergosterol, der reichlich in ihnen steckt, in Vitamin D 2. In dieser Form kommt das Vitamin in Hefe, Pilzen und Algen vor. »In Zuchtchampignons, die ja vorwiegend im Dunkeln wachsen, ist kaum Vitamin D enthalten«, sagt Paul Urbain, Ernährungswissenschaftler am Universitätsklinikum Freiburg. Durch Bestrahlung mit UVB-Licht lässt sich der Gehalt von Vitamin D 2 extrem steigern: Bei den Champignons, mit denen Urbain experimentierte, kletterte der Gehalt von 0,2 auf fast 500 Mikrogramm D 2 je 100 Gramm. Wer solche Pilze isst, kann seinen Vitamin-D-Status deutlich verbessern. Das hat Urbain erstmals am Menschen nachgewiesen und dafür im vergangenen Jahr den Wissenschafts-Preis der DGE bekommen.

Bis solche Spezial-Pilze in Deutschland auf den Markt kommen, wird es wohl noch dauern. »In den USA und in Australien werden solche Champignons schon mit großem Erfolg angeboten«, berichtet Franz Schmaus, Vorsitzender des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer. »In Deutschland ist das derzeit aber noch verboten.« Doch auch Wildpilze können einen wichtigen Beitrag zur Vitamin-D-Versorgung leisten: Sie enthalten in der Regel deutlich mehr von dem Stoff als Zuchtchampignons - vor allem dann, wenn sie viel Sonnenlicht abbekommen haben. Man kann davon ausgehen, dass etwa Wiesenchampignons viel Vitamin D liefern, wie Urbain berichtet. Er züchtet derzeit auf dem Schauinsland bei Freiburg Champignons in Brutkästen, um den Vitamin-D-Gehalt solcher »Freiluft-Pilze« genau zu bestimmen.

Um Vitamin D in Pilzen anzureichern, kann man sie auch einfach an der Sonne trocknen. Zu kaufen gibt es sonnengetrocknete Pilze aber selten: In der Regel ist die Ware, die im Handel angeboten wird, industriell getrocknet. Bei warmem Wetter mit intensivem Sonnenschein kann man die »Schwammerl« aber leicht selber trocknen. Gut eignen sich dazu alle Röhrlingsarten, aber auch Totentrompeten, Judasohren oder Krause Glucken. Man schneidet die Pilze in hauchdünne Stücke und legt sie auf einem Blech in die Sonne. Wenn sie so trocken sind, dass sie rascheln, füllt man sie in luftdichte Behälter. Damit kann man sich im Winter, in dem es leicht zu einer Unterversorgung mit Vitamin D kommt, mit dem wertvollen Stoff versorgen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal