Rabbiner mit grüner Vergangenheit

Seit zehn Jahren leitet Walter Homolka das Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg

  • Yvonne Jennerjahn, epd
  • Lesedauer: 4 Min.

Er ist eine der außergewöhnlichen Persönlichkeiten im deutschen Judentum: Vom Investment-Banker mit Faible für ethisch-ökologische Fonds hat ihn der Weg über Bertelsmann, Greenpeace und die Kulturstiftung der Deutschen Bank nach Potsdam geführt. 1999 hat Walter Homolka dort das Abraham-Geiger-Kolleg mitbegründet. Seit zehn Jahren leitet er als Rektor die erste akademische Ausbildungsstätte für Rabbiner in Deutschland nach 1945.

Die Weichen dafür hat der 48-Jährige in seiner Jugend gestellt. Aufgewachsen ist Walter Homolka in einem katholischen Umfeld in Niederbayern. Das Elternhaus sei nicht religiös geprägt gewesen, erzählt er. »Bei uns hat die Musik die erste Rolle gespielt.« Doch dann hat es ihn zur Israelitischen Kultusgemeinde nach Straubing gezogen. Anfang der 1980er Jahre ist er schließlich mit 17 in Westberlin zum Judentum konvertiert.

»Meine persönliche Entscheidung als Jugendlicher für das Judentum will ich nicht als Wertentscheidung gegenüber anderen Religionen verstanden wissen«, betont Homolka. »Es ist eher so, dass Gott Menschen eben da hinstellt, wo Gott eine Aufgabe hat. Nicht mehr und nicht weniger.« Auch seinen Entschluss, den Beruf eines Rabbiners zu ergreifen, habe er bereits als Jugendlicher getroffen, erzählt er. »Ich wollte damit auch zur Stärkung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und ihrem geistigen Erbe beitragen.«

Homolka studierte Theologie und Philosophie in München und bereitet sich so auf das Rabbinerstudium im Ausland vor. Denn dafür brauchte er den Bachelorabschluss einer Universität. 1986 war es soweit: Auf Empfehlung des liberalen Rabbinats in Berlin begann Homolka am Leo Baeck College in London mit dem Studium.

Weitere Studien und Abschlüsse folgten. 1992 verlieh ihm das Londoner King's College den Doktorgrad in Religionswissenschaften, 1993 folgte ein Magister in jüdischen Studien. Weil nicht absehbar war, dass es in Deutschland wieder liberale jüdische Gemeinden geben würde, habe er dann zunächst einen anderen Weg eingeschlagen, erzählt Homolka. Er ging zu einer Bank in Bayern, dann zu Bertelsmann.

Im April 1997 habe er den bis dahin wichtigsten Schritt seiner Laufbahn geschafft: Das Leo Baeck College bescheinigte seinem ehemaligen Studenten die Befähigung zum Rabbineramt. Kurz darauf wurde Walter Homolka in den USA ordiniert. 1998 wurde er Landesrabbiner von Niedersachsen - und Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Er setzte sich für den Atomausstieg ein, für höhere Ökosteuern und gegen Gentechnik in der Landwirtschaft. Doch der Umweltverband und der grüne Rabbiner, der seine Figur selbst als »massig« beschreibt, taten sich schwer miteinander. Man trennte sich nach wenigen Monaten.

Da stand längst das Projekt an, für das Homolka seither unermüdlich im Einsatz ist. Die Rabbinerausbildung für liberale Gemeinden. 1999 wurde in Brandenburg das Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam gegründet, 2001 fingen die ersten Studenten an. Fünf Jahre später wurden in Dresden die ersten drei Absolventen ordiniert. Die erste Rabbinerordination in Deutschland nach der Shoa fand weltweit Beachtung.

Im deutschen Judentum ist Homolkas Weg lange auch mit Vorbehalten verfolgt worden, vor allem von orthodoxer Seite. »Wir betrachten ihn nicht als Juden«, sagte der einstige Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, einmal über Homolka. »Er soll uns in Ruhe lassen.« Inzwischen ist das Verhältnis zum Zentralrat entspannter.

Die Erfolgsgeschichte geht weiter. Elf weitere Rabbinerordinationen folgten. Seit 2007 werden am Abraham-Geiger-Kolleg auch jüdische Kantoren ausgebildet. Als die Finanzkrise 2008 zur Gefahr für das Kolleg wurde, weil Spenden aus den USA auszubleiben drohten, gelang Homolka die Wende. Nach dem Bund beschlossen nun auch die Länder, was der Rabbiner schon lange gefordert hatte. Sie sicherten eine regelmäßige und dauerhafte Förderung zu.

Nun steht Walter Homolka wohl kurz vor dem nächsten Erfolg, der Verankerung der jüdischen Theologie in der Universität mit Promotionsrecht und Professoren. Weil es dabei zunächst nicht recht voranging, hatte das Kolleg 2011 noch mit dem Weggang aus Potsdam gedroht.

Auf die Gleichstellung der jüdischen mit den christlichen Theologien drängt Homolka schon seit Jahren beharrlich. »Wir fordern nicht mehr, als der Wissenschaftsrat vorgegeben hat«, betont der Rabbiner, der seit einigen Jahren auch dem Vorstand der Weltunion für progressives Judentum angehört. Religion ohne Intoleranz sei seine größte Hoffnung, sagte Homolka einmal.

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