Enthüllungsbuch ohne Enthüllungen

Ehemaliger Investmentbanker gießt seine Vorwürfe an Goldman Sachs in Buchform - erntet aber eher Spott dafür

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Das angekündigte Enthüllungsbuch eines Ex-Bankers ließ Goldman Sachs zittern - anscheinend umsonst.

Zum zweiten Mal lässt Ex-Banker Greg Smith Dampf ab, diesmal in Buchform. Aber sein ehemaliger Arbeitgeber, das US-Investmentinstitut Goldman Sachs, dem er moralische Verfehlungen vorwirft, hat seine Lektion gelernt und schlägt zurück.

Schon vor der Veröffentlichung des Buches kursierte sein Inhalt in den Medien. Der Titel »Why I left Goldman Sachs« (Warum ich Goldman Sachs verließ) versprach zum ersten Mal Details aus dem Innenleben der berühmt-berüchtigten Bank. Bereits am 14. März hatte Smith seine plötzliche Kündigung in einem Gastbeitrag für die »New York Times« mit scharfen Vorwürfen gegen die Bank gewürzt, die er aber nicht belegte. »Vergiftet und destruktiv« sei die Firmenkultur, sie fördere »moralisch verkommene Leute« und zocke »ihre eigenen Kunden ab«, die intern als »muppets« (Deppen) bezeichnet würden.

Aber alle, die in seinem Buch sensationelle, vielleicht sogar strafrechtsrelevante Belege erwartet hatten, wurden enttäuscht. Statt Namen zu nennen und Zusammenhänge zu erklären, lieferte Smith ein oberflächliches Werk. Die Internetseite »Politico« kritisierte, Smith warte mit Anekdoten über Alkoholgelage und bereits bekannten Beschreibungen interner Geschäftsvorgänge auf - was nur »einige überraschen« werde. Das »Wall Street Journal« hatte nur das Urteil »vorsichtig ausgedrückt: langweilig« übrig und kommentierte, Smith hätte »nach dem Zeitungskommentar aufhören sollen«. Die »New York Times« widmete dem Buch mehrere Rezensionen. In einer hatte James Stewart eigene Recherchen zu den angeblichen Enthüllungen angestellt - er wies Smiths Zitate von Personen nach, die es nicht gibt. In dem Buch gebe es ferner »keine Beispiele für ein vergiftetes Arbeitsklima, keine Namen unmoralischer Personen und kein Beispiel für einen abgezockten Kunden«, so Stewart. Smith leiste Goldman Sachs möglicherweise sogar unfreiwillig einen Dienst. Denn wenn einer wie Smith »der ultimative Insider« sei, dann liege gegen die Banken nicht viel an Beweisen vor.

Die Befürchtung der Bank, das Buch werde peinliche Betriebsinterna an die Öffentlichkeit bringen, führte dennoch schon im Vorfeld der Veröffentlichung zu einem Gegenschlag: Vor gut einer Woche hatte Goldman Sachs dem Nachrichtendienst Bloomberg einen Bericht zugespielt, der Smith in ein denkbar ungünstiges Licht stellt. Demnach ist er ein Streber, dem der Aufstieg wegen mangelnder Leistung versagt blieb. Die Chefbanker beförderten den 33-Jährigen nicht zum Managing Director weiter. Der aus Südafrika stammende Absolvent der kalifornischen Stanford-Eliteuniversität steckte damit seit 2006 auf dem Posten des Vice President (in etwa Hauptabteilungsleiter) fest. Zudem soll er sich mehrmals vergeblich um eine Gehaltserhöhung bemüht haben. Smith habe außerdem seine Bedeutung innerhalb der Bank maßlos übertrieben. So habe er entgegen seiner Selbstdarstellung weder als Berater fungiert, noch sei er für schwere Fonds zuständig gewesen. Die Bank habe Smith intern bereits auf der Kündigungsliste gehabt.

Angeblich wurden über 100 Mitarbeiter zum Fall Smith befragt. Interne Ermittler sollen alle Dokumente durchforstet haben, auf denen sich Smiths Name, E-Mail-Adresse oder Kürzel befand. Den Auftrag dazu muss die Führung von Goldman Sachs gleich nach Veröffentlichung des Artikels in der »New York Times« im Frühjahr erteilt haben. Man wollte herausfinden, weshalb Smith intern nicht aufgefallen war, und offenbar künftig ähnlich rufschädigende Kritiken im Ansatz unterbinden.

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