Und keine Ampel in Sicht

Lebensmittelkontrolleure beanstanden 146 000 Betriebe und Gaststätten

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 2 Min.
Auch 2011 beanstandete die Lebensmittelüberwachung viele Betriebe - auf die Hygiene-Ampel warten Konsumenten aber weiter vergeblich.

»Alle Jahre wieder«, so hatten die Verbraucherschützer von Foodwatch ihre Pressemitteilung zur Jahresstatistik des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) überschrieben. Darin prophezeite sie bereits am Montag, dass die Zahl der wegen Hygienemängeln oder fehlender Kontrollen beanstandeten Betriebe wie in den vergangenen Jahren bei etwa 25 Prozent liegen werde. Am Donnerstag bestätigte das BVL dies: Demnach haben amtliche Kontrolleure 2011 in 146 000 Gaststätten, Lebensmittel- und Handwerksfirmen Verstöße festgestellt - das sind 27 Prozent der überprüften Betriebe. In über der Hälfte dieser Fälle wurde die betriebliche Hygiene beanstandet, also mangelnde Sauberkeit oder unzureichend aufbewahrte Nahrungsmittel.

Neben etwa 550 000 Betrieben überprüften die Kontrolleure der Bundesländer auch rund 400 000 Lebensmittelproben. Davon wurden 13,5 Prozent beanstandet, in der Mehrzahl wegen unzureichender oder falscher Kennzeichnung und Aufmachung. 25,5 Prozent der Proben waren aber auch mit Keimen, Pflanzenschutzmitteln oder Acrylamid belastet. Die meisten Probleme gibt es bei den sogenannten Lebensmitteln für besondere Ernährungsformen, etwa Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduzierung oder zum Muskelaufbau, aber auch glutenfreie Lebensmittel und Säuglingsnahrung, wobei es bei letzterer nach Angaben des BVL kaum Grund zur Beanstandung gab.

Opposition und Verbraucherschützer kritisierten die gleichbleibend hohe Zahl der Verstöße und die Tatsache, dass die Kon- trollergebnisse nur anonymisiert veröffentlicht werden. Nicole Maisch, verbraucherpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, fordert deshalb die Einführung einer Hygiene-Ampel Damit könnten Konsumenten sofort erkennen, welche Betriebe sauber arbeiten und welche nicht. Für »saubere« Betriebe stelle die Kennzeichnung zudem einen Wettbewerbsvorteil dar.

In Dänemark zeigen bereits seit zehn Jahren Smilies an den Türen von Gaststätten an, ob im betreffenden Betrieb Mängel gefunden wurden. Seitdem seien die Beanstandungsquoten dort »kontinuierlich und signifikant« gesunken, sagte der stellvertretende Foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Das prognostiziere er auch für Deutschland, wenn die Ergebnisse ausgehängt würden.

Ein einheitliches Modell war im September an den Wirtschaftsministern der Länder gescheitert. Nun kann jedes Bundesland eine Kennzeichnung einführen, dies könne aber zu Verwirrung führen, kritisierte Volker Kregel, Vorsitzender der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, auf der BVL-Pressekonferenz.

Erst am Mittwoch hatten Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) und ihr Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel (Grüne), Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) nochmals nachdrücklich aufgefordert, endlich für Rechtssicherheit zu sorgen. Scharfe Kritik übte Remmel an Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der Anfang der Woche die Hygiene-Ampel als falsches Signal bezeichnet und die für die Einführung der Kennzeichnung notwendige Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzes mit dem Veto seines Ministeriums blockiert hatte.

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