Abgang ohne Reue

Kurt Beck ließ sich nach 19 Jahren Parteivorsitz noch mal feiern / Robert Lewentz neuer SPD-Landeschef

  • Hans-Gerd Öfinger, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Wochen nach der Rücktrittsankündigung des langjährigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und SPD-Chefs Kurt Beck hat die Landespartei die Weichen für die Nach-Beck-Ära gestellt.

Bei einem Landesparteitag am Sonnabend in Mainz nominierten die 420 Delegierten per Akklamation Sozialministerin Malu Dreyer (51) als Nachfolgerin Kurt Becks in der Mainzer Staatskanzlei. Die Wahl zur Ministerpräsidentin ist für den 16. Januar 2013 geplant und gilt aufgrund der Mehrheit der Koalitionsparteien SPD und Grüne als sicher. Grundlage der weiteren Zusammenarbeit in der Landesregierung sei der Koalitionsvertrag vom Frühjahr 2011, betonte Dreyer ebenso wie Grünen-Landeschef Uwe Diederichs-Seidel, der als Gastredner auftrat.

Malu Dreyer folgt auf Beck

Die gelernte Juristin Dreyer hatte ihr Ministeramt gut zehn Jahre inne und war zuvor Bürgermeisterin in Bad Kreuznach. Sie gilt als unbelastet vom Skandal um die Pleite eines privat finanzierten Freizeitparks am Nürburgring in der Eifel und als Favoritin Kurt Becks.

Zum neuen SPD-Landesvorsitzenden wählten die Delegierten Landesinnenminister Roger Lewentz (49). Der gelernte Beamte im Zivilbereich der Bundeswehr hatte sich seit den 1980er Jahren vom Juso-AG-Vorsitzenden über das Ortsbürgermeisteramt im Wallfahrtsort Kamp-Bornhofen zum Landtagsabgeordneten hochgearbeitet. Lewentz dürfte sich als der für eine ehrgeizige kommunale Gebietsreform zuständige Minister mit verordneten Zwangsfusionen allerdings nicht nur Freunde in der Partei gemacht haben. Er vereinigte dennoch gut 95 Prozent der Stimmen auf sich.

Star des Parteitags war der 63-jährige Kurt Beck, der auf 19 Jahre als Parteichef und 18 Jahre als Regierungschef zurückblicken kann und mehrfach mit minutenlangen Ovationen und Pappschildern mit der Aufschrift »Danke, Kurt!« gefeiert wurde. Beck, der die Huldigungen sichtlich gerührt aufnahm, zog in einer Rede noch einmal Bilanz seiner Amtszeit. Es sei ihm in diesen Jahren gelungen, den Wandel vom »Land der Reben und Rüben« zu einem modernen Wirtschaftsstandort mit niedriger Arbeitslosigkeit und kostenlosem Bildungsangebot von der Kita bis zur Hochschule zu gestalten. Die Ansiedlung neuer Betriebe auf bisherigen Militärflächen des ehemaligen »Flugzeugträgers der NATO« sei ein Beispiel gelungener Konversionspolitik, freute er sich. Beck sei »zutiefst sozialdemokratisch« und habe mit seiner »sozialen Erdung« einen »Urinstinkt für die Nöte der kleinen Leute« und stets die Menschen in den Mittelpunkt gestellt, bescheinigte ihm seine designierte Nachfolgerin.

Gabriels Entschuldigung

Zu den Laudatoren in Mainz zählte Becks Vorgänger in Partei und Regierung, Rudolf Scharping, der als Chef einer Beratungsfirma für kommunale Privatisierungsprojekte der Politik längst den Rücken gekehrt hat. Als SPD-Bundesvorsitzende waren Scharping (1993-95) und Beck (2006-2008) gescheitert und vorzeitig »unfreiwillig« abgetreten. Nach wie vor halten es ihnen ihre Genossen zwischen Pfalz und Westerwald aber zugute, dass die Partei unter ihrer Führung 1991 im »tendenziell strukturkonservativen« Land die CDU aus der Staatskanzlei verdrängt und die führende Regierungsposition seither verteidigt hat. »Hätten wir damals schon auf Kurt Beck gehört, dann wäre der Partei manches erspart geblieben«, versuchte sich SPD-Parteichef Sigmar Gabriel in Mainz für Becks erzwungenen Abgang von der bundespolitischen Bühne 2008 und die historische Wahlniederlage in der Bundestagswahl 2009 zu entschuldigen: »Ohne deinen Rat hätte ich der Partei nicht drei Jahre lang so gut als Vorsitzender dienen können«, bedankte er sich.

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