nd-aktuell.de / 13.11.2012 / Politik / Seite 6

Was? Wer? Ich?

Erfurter NSU-Ermittler trafen »Erinnerungslücken«

Berlin (nd-Heilig). Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages zur Aufdeckung der Pannen und Versäumnisse bei der Verfolgung des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) hatte am gestrigen Montag drei ehemalige Polizisten, einen Staatsanwalt sowie einen Ex-Abteilungsleiter aus dem Innenministerium zur Befragung vorgeladen. Mit den Erinnerungslücken des Letzteren wurde der Anfang gemacht.

Bernd Hillmann ist am 1. Februar 1995 aus dem hessischen Justizministerium nach Thüringen abgestellt worden. Bis zum März 1998 leitete er im Erfurter Innenressort die Abteilung 2 und war damit unter anderem zuständig für die Fach- und Rechtsaufsicht über den Verfassungsschutz.

Lobgesang auf den Juristen Roewer

Was prädestinierte ihn zu dieser Aufgabe? Nichts. In Hessen hatte Hillmann sich um Bundesratsangelegenheiten gekümmert oder sich von juristischer Seite der Fortpflanzungsmedizin, dem Miet- und dem Ausländerrecht genähert. Kein Wunder also, dass er den - gelinde gesagt - exzentrischen Verfassungsschutzchef Helmut Roewer als »kompetenten und erfahrenen Nachrichtenmann« betrachtete. Ein »guter Jurist« sei der Geheimdienstchef auch gewesen. Ahnungslosigkeit zeigte der Zeuge ebenfalls bei der Frage, wie Neonazis nach dem Diebstahl zweier Computer aus dem Innenministerium - einer stand in Hillmanns Vorzimmer - an hochsensible Daten gelangen konnten.

Was in der Behörde vorging, wie rührend sich Roewer samt Agenten um die Neonaziszene kümmerte, blieb dem aufsichtsführenden Ministerialbeamten offenbar verborgen. Dass der Obernazi Timo Brandt V-Mann war, hat er nie erfahren. Wer die Richtlinien für die Arbeit mit Vertrauenspersonen erarbeitet hat, weiß er nicht. Gab es überhaupt welche? Es blieb bei der Vermutung, möglicherweise sei ja sein Ministerium dafür verantwortlich gewesen ... So wie für die Kontrolle der V-Mann-Zuwendungen. Doch da er V-Mann Brandt nicht kannte, konnte der Beamte ja auch nicht wissen, dass der rund 200 000 D-Mark vom Verfassungsschutz als Spitzellohn bekommen hat.

Zur Sonderkommission Rechtsextremismus im Landeskriminalamt - kurz Soko Rex - fällt ihm nichts ein. Er will keine Gründe kennen, die zu deren Auflösung geführt haben. Schwach erinnert er sich, vom Innenminister mal einen Auftrag bekommen zu haben, der mit Razzien im Rotlichtmilieu zu tun hatte. Doch das betraf - bei Ermittlern wie Verdächtigen - wohl mehr den Polizeibereich.

Zeugen mit beschränkter Haftung

Hilft das weiter in Sachen NSU? Nein! Selbst Unionsabgeordnete, die in der morgendlichen geheimen Sitzung noch die Ausschusschefin Dorothea Marx (SPD) wegen zu großer Aktivität Richtung Bayern angemacht hatten - sie warfen ihr zudem Kompetenzüberschreitung vor - , schüttelten ob grundsätzlicher Vergesslichkeit und der Krankmeldungen vieler Zeugen das konservative Haupt. Gestern entschuldigte sich Ex-Kriminaldirektor Wolfgang Liphardt.

Am Nachmittag wollten sich die Ausschussmitglieder um das abgesagte Verfahren nach Paragraf 129 gegen den rechtsextremen Thüringer Heimatschutz kümmern und der Frage nachgehen, warum diese Ermittlungen, die mit dem Vorwurf »Bildung einer terroristischen Vereinigung« begründet waren, eingestellt wurden.