Die einfache Antwort war »Nein«

Paul Sweeney über die Krise in Irland und wie die dortige Regierung die Troika für unsoziale Reformvorhaben benutzt

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Es wird in letzter Zeit häufig berichtet, dass Irland den Höhepunkt der Krise überwunden hat...
Sweetny: Nichts wird besser. Aber wenigstens haben wir die Wirtschaft stabilisiert. Und das ist sehr wichtig. In anderen Worten: Die Lage verschlimmert sich nicht.

Aufwärts geht es also nicht?
Das einzig positive ist, dass die Rate der Auslandsschulden gesunken ist. Optimisten würden sagen, dass die Außenhandelsbilanz jetzt wieder sehr gut ist. Aber zu dieser Gruppe gehöre ich nicht.

Warum nicht?
Diese Leute sagen, dass die Bilanz wieder so gut ist, weil der Export angezogen hat. Aber davon profitieren nur einige wenige multinationale Konzerne. Der Hauptgrund warum die Bilanz so gut ist, ist, dass die Importe zurück gegangen sind. Die Menschen in Irland haben kein Geld zum Ausgeben und konsumieren deswegen nicht.

Für die einfache Bevölkerung hat sich nichts verbessert?
Wenigstens sind die Stundenlöhne seit dem Ausbruch der Krise nicht gefallen. Doch der Wochenlohn ist weniger geworden, weil die Beschäftigten jetzt weniger arbeiten.

Dafür wurden viele Menschen entlassen...
Ja. Das war das Schlimmste, was passiert ist. 360 000 Menschen haben ihre Arbeit verloren. Das sind 20 Prozent der Beschäftigten in Irland. Diese Menschen wurden am schlimmsten von den Folgen der Krise getroffen. Danach kamen die Angestellten im öffentlichen Dienst. Sie mussten im Schnitt Lohnkürzungen in Höhe von 14 Prozent hinnehmen.

Gab es auch Krisenprofiteure in Irland?
Die größten Profiteure waren die Besitzer der Staatsanleihen, einschließlich der deutschen. Das weiß in Irland fast jeder. Deswegen haben die deutschen Banken kein gutes Ansehen in Irland. Sie verdienten viel Geld an der Krise unserer Banken, selbst noch als diese zusammenbrachen und vom Staat gerettet wurden. Sie bekamen zeitweilig von uns 13 Prozent Zinsen, während sie sich ihr Geld für nur ein Prozent ausliehen.

Hat die Troika die Lage in Irland noch verschlimmert?
Die Vertreter der Troika haben alle eine Sache gemeinsam: Sie sind überzeugte Neoliberale. Sie glauben daran, dass der Markt immer funktioniert. Aber die Krise zeigt, dass das nicht stimmt. Hätten die europäischen Staaten nicht interveniert, hätten wir eine Depression wie in den 1930er Jahren.

Sie haben auch mit der Troika geredet. Hat das etwas gebracht?
Innerhalb der irischen Gewerkschaften sind wir gespaltener Meinung, was das Thema angeht. Einige sagen, dass es eine Zeitverschwendung wäre, mit der Troika zu reden. Erst kürzlich haben wir Gewerkschaften uns darauf verständigt, uns bis Ende des Jahres nicht mehr mit ihnen zu treffen. Man muss aber sagen, dass bei den Treffen sehr interessante Sachen heraus kamen.

Welche Sachen sind das?
Die eine Sache ist, dass die irische Regierung eine große Agenda der Privatisierung vorantreibt. De facto wollen sie unsere besten Unternehmen verramschen, um einen kleinen Teil der Schulden unserer Banken tilgen zu können. Wir fragten die Troika, warum sie das von unserer Regierung verlangt und sie sagte: Wir wollen keine Privatisierung, es ist ihre Regierung, die das will.

Die Troika ist also schlimm, die eigene Regierung aber noch schlimmer?
Es gab noch einen zweiten Fall, der so ähnlich war. Wir haben seit Juni 2010 die Vereinbarung von »Croke Park« zwischen uns Gewerkschaften und der Regierung, dass es bis 2014 zu keinerlei Kürzungen im öffentlichen Dienst mehr kommt. Nun kam die Regierung zu uns und sagte, dass die Troika von ihnen verlange, dass sie wieder neue Kürzungen mit uns verhandeln sollten. Darauf hin fragten wir die Troika, ob das stimme. Und die einfache Antwort war »Nein«.

Fragen: Simon Poelchau

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