nd-aktuell.de / 15.11.2012 / Kultur / Seite 16

Susannes Glück

Helle Helle: »Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann«

Irmtraud Gutschke

Die Vorstellung ... Damit ist ja schon gesagt, dass es im Bereich der Wunschbilder bleibt. Interessanter zu fragen: Was wäre »ein unkompliziertes Leben mit einem Mann«? Dass neben dem Bügelbrett auf dem Titelbild Kinder spielen? Vielleicht. Susanne aus diesem Roman erleben wir nicht beim Bügeln, aber sie äußert schon mal zaghaft einen Kinderwunsch. Ein geregeltes Familienleben malt sie sich aus, aber das mündet stets in ein schreckliches Schlussbild: Sie würde wohl in Tränen ausbrechen »angesichts all dieses Glücks, in dem es so gar keinen Zweifel gibt«. Gehört also der Zweifel notwendigerweise für sie zum Leben?

Und was wäre »ein unkompliziertes Leben« mit einer Frau? Über das wünschenswert Unkomplizierte muss man nämlich nachdenken, wenn man dieses Buch der dänischen Autorin Helle Helle liest. Warum eigentlich unkompliziert? Einfach, weil es im Alltag genug Belastungen gibt, weil er und sie zu müde sind für weitere Anstrengungen. Weil sie Ruhe finden wollen, wenn sie heimkommen, aber gleichzeitig wäre ihnen Ruhe nicht genug. Etwas Fehlendes müsste einem geschenkt werden. Frage sich jeder, was das ist und ob er/ sie es auch geben könnte, statt es nur zu verlangen.

Oberflächlich betrachtet, hat Helle Helle lediglich sehr genau den Alltag eines jungen Paars beschrieben. Eines ungleichen Paars: Kim will Schriftsteller sein, braucht die Konzentration. Susanne verdient ihr Geld als Putzfrau, ihr fehlt etwas Spannendes im Leben. Aber hintergründig ist dies eine Geschichte über Beziehungsschwierigkeiten, wie sie viele kennen. Kim versucht ja, für Susanne ein guter Mann zu sein, aber er ist mit sich selbst beschäftigt. Und dann nimmt sie ihm auch noch den letzten Rest Seelenfrieden, indem sie einer schwangere Freundin, die sich mit ihrem Mann verstritten hat, eine Zuflucht gibt. Es soll ja nur zeitweilig sein, aber ein Monat ist lang. Man denkt sich beim Lesen, Helle Helle müsste es erlebt haben, diese entfremdete Atmosphäre, diese diffuse Störung, die man sich kaum eingestehen mag, weil es doch nicht schlimm sein kann, dass jemand im Wohnzimmer schläft und das Badezimmer mit benutzt. Kim und Susanne geben sich um Ester auch alle Mühe und für letztere wird alles gut. Sie bringt ihr Kind zur Welt und versöhnt sich mit ihrem Mann. Aber für Susanne ...

Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Den hat man die ganze Zeit im Hinterkopf, will ihn sich erklären. Als ob alles im Leben eine konkrete Ursache haben müsste. Hat es aber nicht. Nach den ersten beiden Seiten wird rückschauend erzählt. Man ist frei, sich auszumalen, wie die Geschichte weitergeht. Arme Susanne, von »unkompliziert« kann im Zukünftigen wahrscheinlich noch weniger die Rede sein. Wir vermögen den Weg nicht zu überblicken, den wir gehen. Ungewiss, was hinter der nächsten Windung lauert. Also sag dir bei jedem Schritt: Jetzt, in diesem Moment, bewege ich mich, atme. Vielleicht ist das ja schon Glück.

Helle Helle: Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann. Roman. Aus dem Dänischen von Flora Fink. Dörlemann Verlag. 222 S., geb., 19,90 €.