Kleines Pflaster für eine klaffende Wunde

Griechenland erhält weitere Kredite von EU und IWF / Beschlüsse spalten das Land

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Während sich die griechische Regierung erleichtert über die Geldzusagen aus Brüssel zeigte, kritisierte die Opposition um das Linksbündnis SYRIZA die leicht veränderten Sparauflagen.

Am Tag nach den Entscheidungen der EU-Finanzminister über weitere Hilfen für Griechenland war der Mittelmeerstaat gespalten. »Endlich die Entscheidung über Kreditrate und Schulden«, titelte die angesehene konservative Tageszeitung »Kathimerini«. Die regierungsnahe »Ta Nea« brachte ein in Griechenland- und Europafahne getauchtes Smiley neben der Schlagzeile »das erste Lächeln«. »Feuerwerk statt Lösung«, titelte dagegen die linke Tageszeitung »Avgi« und die linksliberale »Zeitung der Redakteure« sprach sogar von einer »Rate Gift«.

Die griechische Regierung gab sich verhalten. »Alles ist gutgegangen«, erklärte der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras noch in der Nacht zum Dienstag. »Die Griechen haben gekämpft, alle gemeinsam, und morgen bricht ein neuer Tag für alle Griechen an«, fügte er hinzu. Finanzminister Giannis Stournaras bezeichnete die Einigung zwischen Eurogruppe und Internationalem Währungsfonds als »wichtig, da sie Griechenland im Euro hält und ihm eine bedeutende Chance gibt, dem Teufelskreis der Rezession und der Überschuldung zu entkommen«. Nun liege es an den »Griechinnen und Griechen«, den von den Gläubigern gesteckten Rahmen zu nutzen und die »inländischen Voraussetzungen für eine nationale Wende zu schaffen«, erklärte der PASOK-Vorsitzende, Evangelos Venizelos. Als »entschlossenen Schritt für den Verbleib des Landes im Euro« bezeichnete Fotis Kouvelis, Chef der DIMAR, das Verhandlungsergebnis. Es müsse aber auf europäischer Ebene noch viel für die Bewältigung der Krise getan werden.

»Die Lösung enthält keinen lebensfähigen Plan für Griechenland. Deswegen ist sie keine Lösung«, sagte dagegen der Vorsitzende der größten Oppositionspartei SYRIZA, Alexis Tsipras. Vor zwei Jahren habe man die Grenze für eine tragfähige Schuldenlast des Landes bei 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festgelegt. »Nun sagt man uns, es könnten auch 124 Prozent sein. Morgen sagt man uns vielleicht 130 Prozent. Die einzige Lösung ist eine sich ankündigende politische Wende, bei der das Volk das Sagen haben wird«, so Tsipras. Diese Wende werde bereits »von allen« erwartet. Der Vorsitzende der in aktuellen Umfragen führenden SYRIZA hatte sich am Dienstag mit den Botschaftern der EU-Länder in Athen getroffen.

Als »Pflaster« bezeichnete der SYRIZA-Abgeordnete Dimitris Papadimoulis im Interview mit dem griechischen Radiosender Vima den Entschluss zur Auszahlung der fast 44 Milliarden Euro. Das Verhandlungsergebnis könne die Probleme nur kurzfristig lösen, etwa wie »zwei Flaschen Sauerstoff«. Eine wirkliche Lösung könne nur mit einem weiteren Schuldenschnitt auch im öffentlichen Sektor und mit dem Transfer von Investitionen erzielt werden.

Von den Montagnacht beschlossenen 43,7 Milliarden Euro sollen 34,4 Milliarden bis Mitte Dezember an Griechenland ausgezahlt werden. Der Löwenanteil in Höhe von 23,8 Milliarden wird von Athen zur Refinanzierung der durch die Krise und den ersten Schuldenschnitt ins Schlingern geratenen griechischen Staats- und Privatbanken verwendet. Die verbleibenden 10,6 Milliarden werden zur Bedienung fälliger Altschulden und zur Begleichung eines Teils der ausstehenden Rechnungen inländischer Gläubiger, darunter auch die einheimischen Apotheker, genutzt.

Diese sind nicht mehr gewillt, den Versprechen der Regierung über die baldige Tilgung ihrer Schulden für Medikamente Glauben zu schenken. Während die Pharmafirmen nur gegen Sofortzahlung liefern, schulden die staatlichen Krankenkassen den Apothekern seit Monaten Millionen Euro für auf Rezept abgegebene Medikamente. Um erneut darauf hinzuweisen, blieben am Montag und Dienstag landesweit alle Apotheken geschlossen. Auch im öffentlichen Dienst wird weiterhin mit Arbeitsniederlegungen und der Besetzung zahlreicher Rathäuser gegen die von den Gläubigern geforderten Entlassungen mehrerer zehntausend Staatsbediensteter protestiert.

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