Monti will Stahlkocher retten

Regierung droht indirekt mit Verstaatlichung des Metallbetriebes Ilva

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 2 Min.
Die italienische Regierung hat im Fall des Stahlkochers Ilva die Notbremse gezogen. In einem speziellen Dekret verfügt sie den Weiterbetrieb des Unternehmens.

Am Ort des Stammbetriebes in Tarent scheinen zunächst erst einmal etwa 12 000 Arbeitsplätze gesichert zu sein. Italiens Regierungschef Mario Monti will die Schließung des Stahlkochers Ilva in der apulischen Industriestadt verhindern. Mit dem entsprechenden Erlass der Regierung könne ein Schaden von über acht Milliarden Euro jährlich abgewendet werden, sagte Monti am Freitag.

Die Regelung ist nicht unumstritten. Denn die Eisen- und Stahlhütte Ilva ist eine Dreckschleuder, deren Emissionen und Abwässer nicht nur die Gesundheit der in Nachbarschaft lebenden Menschen bereits drastisch geschädigt haben. Die Kindersterblichkeit liegt um 20 Prozent, das Brustkrebsrisiko bei Frauen um zehn Prozent höher als im Landesdurchschnitt. Das Dekret sieht deshalb auch einen strengen Sanierungskatalog vor, dessen Umsetzung von der italienischen Umweltaufsichtsbehörde streng kontrolliert werden soll. Doch statt der bislang vorgesehenen zwei Jahre soll die Firma nun sechs Jahre eingeräumt bekommen, um alle Mängel zu beseitigen.

Dabei schafft die Regierung einen Präzedenzfall. Umweltminister Corrado Clini kündigte an, dass im Falle des Nicht-Wollens oder auch Nicht-Könnens der Riva-Gruppe - Eigentümer des Stahlkochers Ilva - die Regierung die Firmenleitung selbst in die Hand nimmt. Indirekt droht die Regierung damit dem Konzern mit Verstaatlichung.

Riva ist der viertgrößte europäische Stahlproduzent. Die Gruppe leidet ebenso stark unter den Folgen der Stahlkrise wie beispielsweise sein deutscher Mitwettbewerber Thyssen. Bislang versuchte die Unternehmensleitung auch mit illegalen Mitteln, Sanierungsauflagen zu umgehen. Dies rief schließlich im Frühjahr die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Sie ließ nach eingehenden Untersuchungen auf dem Firmengelände in Tarent ganze Betriebsteile beschlagnahmen und erhob Klage gegen das Management. Nach neuerlichen Verhaftungen von sieben Mitgliedern der Firmenleitung, drohte Riva mit der Schließung von Ilva Tarent und allen Betrieben, die mit dem Werk in Verbindung standen. Daraufhin besetzte die Belegschaft das Werk in Tarent.

Dass die Metaller von Tarent und ihre Familien um die Arbeitsplätze fürchten und lieber Gesundheitsschäden in Kauf nehmen, hat auch mit der wachsenden Arbeitslosigkeit zu tun. Am Donnerstag veröffentlichte das Statistikamt die neuesten Zahlen. Danach erreicht die Zahl der Arbeitslosen mit 2,9 Millionen ein neues Rekordhoch. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt sogar 36,5 Prozent. Hinzu kommen drei Millionen Kurzarbeiter. Die Chefin der linksgerichteten Gewerkschaft CGIL, Susanna Camusso, wies warnend darauf hin, dass die Fonds der Arbeitslosenkasse erschöpft seien. Für 2013 befürchtet Camusso sogar noch eine weitere Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation. Dass Monti in dieser Lage zu einem Notdekret für Ilva greift, liegt auf der Hand.

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