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Der Rhythmus der Strukturen

Eine Ausstellung der Berliner Malerin und Grafikerin Ursula Strozynski in der ZeitGalerie Friedrichshagen

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Jannowitzbrücke«, »Dachlandschaft«, »Hinterhöfe«, «Niemandsland«, »An der Straßburger Straße«, »Ostkreuz«, »Sredzkistraße«, »November-Stadt« - so lapidar sind ihre Kaltnadelradierungen, von denen sie einige auch aquarelliert hat, Monotypien, Collagen und Arbeiten in Mischtechnik betitelt. Es sind klare, reduzierte, auf das Wesentliche orientierte Architekturlandschaften: Giebel, Dächer, Brücken, Treppen, Plätze, Häuser, Höfe, Industriegebäude, Maschinenhallen, Strommasten, Oberleitungen; Konstruktives aus Stahl, Glas, Mauerwerk und Beton, rhythmisch Strukturiertes.

Von der Offenheit des Unbestimmten verläuft der Arbeitsvorgang von Ursula Strozynski, die sich nach ihrem Architekturstudium in Dresden als freischaffende Grafikerin und Malerin in Berlin niederließ, zur erreichbaren Klarheit und Bestimmtheit. Der Strich als stützendes Gerüst wird zum Stützwerk, die Konstruktion schiebt sich vor die Darstellung. Die Tendenz zu Formen wird zunehmend größer, auf das Ungerichtete folgt Verdichtung, Betonung, Definition. Die auf das Papier geschriebene Linie stellt nicht dar, sie definiert. Sie definiert durch eine bewegte Raumlinie. Es sondert sich Gestalt von Textur - es entsteht Rhythmus und Raum. Die Ebenen stehen sich kontrapunktisch gegenüber oder sie werden verbunden, vernetzt. Gelegentlich bricht ein Strich in das Gespinst ein, klärt, bestimmt oder stört. Das eigentliche Thema tritt erst in der Endphase, im Zustand der Verdichtung und Verbindung der Ebenen in Erscheinung.

Mit Abbilden haben Ursula Strozynskis Arbeiten nichts zu tun. Ihr geht es nicht darum, »treffend« abzubilden, sondern zu strukturieren und zu erfinden. Aus der Notwendigkeit, die Wahrnehmung vielfältiger, sich gegenseitig bedingender Formen, Volumina, Zwischenräume, Strukturen, Größenverhältnisse, Überlagerungen neu zu ordnen, bedient sie sich des Positiv-Negativ-Prinzips, des Spiels zwischen Sujet und Grund. Die Annäherung an ein Sujet von außen, das bedeutet Aussparung, stets gleichberechtigt neben dem umgekehrten Verfahren. Das verbleibende Papierweiß verwandelt sich so vom Hintergrund in eine gleichberechtigte Bildform, ist, wenngleich weiß, doch definiert. Weiß ist nicht unbezeichneter Rest, sondern bestimmte Form.

Dem Horizontalen, Vertikalen, Diagonalen als bestimmende Elemente ihrer Arbeit sind verdichtete, flächige oder sich in Bewegungsverläufen in die Flächen auflösende Texturen zugeordnet. Wichtig ist stets der Zusammenhang der Kleinstrukturen (Punkte, Striche, Linien, Tupfer, Wischer, Texturen) mit der Gesamtanlage der Komposition. Das Fokussieren einzelner Elemente und der frei schweifende Blick ergeben so im ständigen Wechsel das Gesamtbild. Perfekt weiß diese Künstlerin das spannungsvolle, Raum, Licht und Farbe suggerierende Zueinander von gezeichneter Linie und freier Fläche zu demonstrieren.

Die menschliche Figur fehlt in diesen Arbeiten oder wird nur wie ein dunkler Punkt in der unendlichen Horizontale der Landschaft wahrgenommen. Die Plätze, Straßen, Verkehrsknotenpunkte - auch wenn die Blätter nach Südfrankreich, Andalusien oder Marokko führen - sind menschenleer, die Strandlandschaft liegt verlassen da (»Nachsaison«), die Marktstände entbehren der Waren und des Publikums. Ursula Strozynski komplettiert die Szene nicht zum Genrebild. Doch vermittelt sind die Menschen dennoch präsent, denn es handelt sich ja bei den Sujets um von Menschen Geschaffenes, von Menschen Genutztes. Die Blätter sagen viel, aber sie erzählen nicht. Mit sparsamstem Strich vermag die Künstlerin eine unverwechselbare Atmosphäre zu vermitteln.

Bis 15. Dezember, ZeitGalerie Friedrichshagen, Scharnweberstr. 59, Mi.-Fr. 12-18, Sa. 10-13 Uhr

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