Drei Urteile ermöglichen Familien höhere staatliche Zuschüsse - Eltern haben jetzt häufiger Anspruch auf Kindergeld

Wenn Kinder volljährig werden, ist deren Freude meist groß. Jetzt meinen sie, die Welt erobern zu können. Doch für die Eltern von Studenten oder Auszubildenden bedeutet dieser Tag oft eine erhebliche finanzielle Einbuße. Häufig wird mit diesem Tag die Zahlung des Kindergeldes (154 Euro pro Monat) eingestellt. Der Zuschuss fließt bekanntlich nur, wenn das Jahreseinkommen des Nachwuchses einen bestimmten Betrag nicht übersteigt - die Grenze liegt derzeit bei 7680 Euro. Macht pro Monat 640 Euro. Zwar liegt die durchschnittliche Ausbildungsvergütung für Gesamtdeutschland mit 617 Euro geringfügig darunter, aber in den alten Bundesländern deutlich darüber. Auch Studenten, die teure Wohnungen in den Uni-Städten finanzieren, müssen durch Jobs neben den Vorlesungen oder Ferienarbeit oft mehr als diesen Betrag verdienen. Besonders verhängnisvoll: Bereits bei einem Euro zu hohen Verdienstes entfällt das gesamte Kindergeld. Zumindest bisher. Künftig müssen Familien etwas weniger um den finanziellen Bonus zittern. Drei aktuelle Urteile ändern die Rechen-Regeln der Behörden entscheidend: Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass nicht mehr das Bruttoeinkommen der volljährigen Kinder als Maßstab für Berechnungen dienen darf (Aktenzeichen 2 BvR 167/02). So sind einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge außen vor zu lassen, fließt das Geld doch direkt an die Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung. Die Sozialbeiträge liegen derzeit bei rund 40 Prozent des Bruttolohns. Beschäftigte tragen davon etwa die Hälfte. Somit wird die fürs Kindergeld entscheidende Einkunftsgrenze bei sozialversicherungspflichtigen Jobs um etwa 20 Prozent nach oben verschoben. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz urteilte ebenfalls zu Gunsten der Familien (Aktenzeichen 6 K 2983/03). Diese mussten in der Vergangenheit oft auf Geld verzichten, wenn der Nachwuchs auf einen Studien- oder Ausbildungsplatz wartete und in dieser Zeit jobbte. In den Augen der Behörde war der Sohn oder die Tochter damit berufstätig und die Eltern keine Kindergeld-Empfänger mehr. Ist der Verdienst allerdings so gering, dass Mutter und Vater den Sohn oder die Tochter weiter unterstützen müssen und bemüht sich der Nachwuchs weiterhin ernsthaft um einen Studien- oder Ausbildungsplatz, muss der Staat nach Auffassung der Finanzrichter künftig weiter zahlen. Auch wenn das Studium mit dem Examen beendet ist, hört das Kindergeld nicht automatisch auf zu fließen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stoppte ein übereifriges Finanzamt (Aktenzeichen 6 K 2422/04). Begründung: Reicht der Abschluss - hier die Diplom-Prüfungsnote »sehr gut« - nicht, um einen Job zu finden, kann die Ausbildung nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Bildet sich der Nachwuchs danach noch weiter, muss der Staat weiterhin den monatlichen Zuschuss an die Eltern zahlen. Fazit: Diese drei Urteile können die Familien nicht nur für die Zukunft nutzen. Alle, die in der Vergangenheit Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Kindergeldkasse eingelegt haben, bekommen auch Geld zurück. Und zwar für das laufende Jahr und rückwirkend bis zu vier Jahren. Für das laufende Jahr können die Eltern sogar unabhängig von einem erfolgten Einspruch einen erneuten Antrag stellen. Bezüglich der vom Bundesverfassungsgericht geklärten Frage über die Höhe des Jahreseinkommens des Kindes kann sogar dann mehrere Jahre rückwirkend Kindergeld gezahlt werden, wenn die Eltern bisher gar keinen Antrag auf die staatliche Unterstützung eingereicht haben. So könnten sie davon ausgegangen sein, dass auf Grund des Einkommens des Nachwuchses gar kein Anspruch besteht. Solche Familien müssen jedoch unverzüglich den Antrag nachliefern. Auch hier gibt es nicht nur für das laufende Jahr, sondern für vier Jahre rückwirkend Geld. Wichtig: Oft hängt an der Erfüllung des Einkommenskriteriums sogar mehr als das Kindergeld. So gibt es beispielsweise die 800 Euro jährliche Kinderförderung im Rahmen der Eigenheimzulage nur, wenn auch das Kindergeld gezahlt wird. Tipp: Reichen die aktuellen Urteile nicht aus, um der Familie das Kindergeld zu sichern, muss der Nachwuchs versuchen, möglichst hohe Werbungskosten in Zusammenhang mit dem Lernen geltende zu machen. Dazu zählen beispielsweise die Fahrtkosten zum Betrieb und zur Universität, zu Seminaren oder Lerngemeinschaften sowie die Ausgaben...

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