Leben in der Geldanlage

Sabine Nuss über Immobilien, steigende Mieten und die Verantwortung des Staates

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Krisenstab: Leben in der Geldanlage

Investoren nutzen viele Wege, um ihr Geld zu vermehren. So kann man an den Finanzmärkten auf Aktienindizes spekulieren, auf das Wetter in einem Jahr oder auf den Euro-Austritt Griechenlands. Doch sind Geldanlagen nicht immer nur luftige Gebilde - viele Menschen leben in einem solchen Investment: Wohnungen und Häuser sind zu begehrten Renditeobjekten für internationale Finanzanleger geworden.

Die Bewohner solcher Geldanlagen bekommen diese Zuneigung des Geld-Kapitals zu spüren: Ihre Miete steigt. Denn Nachfrage nach Wohnraum ist da, schließlich braucht jeder einen Ort zum schlafen und essen. Gleichzeitig hält das Angebot nicht Schritt. Laut Mieterbund fehlen in Deutschland 250 000 Wohnungen, insbesondere in Großstädten.

Dieser Mangel ist eine Gelegenheit für Hausbesitzer. Sie können die Miete erhöhen, Steigerungen um 20 bis 30 Prozent bei Neuvermietungen sind möglich. Und damit steigt der Wert des Hauses, der nichts anderes ist als die auf mehrere Jahre hochgerechneten Mieteinnahmen. Die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen wiederum erhöhen das gesamte Preisniveau in einer Gegend, was Hausbesitzern die Gelegenheit gibt, auch die Bestandsmieten zu erhöhen. Eine Spirale nach oben.

So kommt das Gewinnstreben der Immobilieninvestoren in Konflikt mit denen, die ihnen diesen Gewinn einspielen sollen: Immer mehr Familien können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten. Der Mieterbund warnt vor »neuem sozialen Sprengstoff«. Bereits jetzt fräßen die Kosten für Wohnung ein Drittel des Haushaltsbudgets, bei »einkommensschwächeren Haushalten« seien es gar 45 Prozent.

Doch die Spirale dreht sich weiter. Denn laut Gesetz dürfen Vermieter die Grundmiete innerhalb von drei Jahren um bis zu 20 Prozent erhöhen. Das bedeutet eine permanente Umverteilung von den Hausbewohnern zu den Hausbesitzern. Denn wer kann schon alle drei Jahre sein Gehalt um 20 Prozent steigern? Oder Rente oder Arbeitslosenbezüge?

Wie dauerhafte Immobilienteuerung am Ende ausgeht, konnte man vor einigen Jahren in den USA oder in Irland beobachten: Häuser wurden immer teurer, bis sie zuletzt nur noch von jenen bezahlt werden konnten, die mit ihnen spekulierten.

Nun beschloss der Bundestag: Statt um 20 Prozent dürfen Mieten binnen drei Jahren nur noch um bis zu 15 Prozent steigen. Das allerdings gilt nicht für Neuvermietungen und nicht überall, nur in begehrten Städten und Wohnvierteln. Sofort fragt man sich: Warum nicht überall, warum nicht alle Mieten und warum nicht zehn statt 20 Prozent? Oder sieben, oder fünf? Warum nicht die Mieten an die reale Einkommensentwicklung koppeln? Dann wären sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten so gut wie gar nicht gestiegen.

Dies dürfe nicht geschehen, heißt es. Denn ohne dauerhafte Mieterhöhung und Hauspreissteigerung keine Immobilieninvestitionen. Dann baut niemand mehr, weil man in Wohnungen nur noch wohnen kann und nicht mehr an ihnen verdienen. Und das wollen ja nicht nur Investoren, das will auch der Staat: Kommunen verkaufen Bauflächen nach dem Höchstpreisprinzip, und die Bundesländer freuen sich auf Einnahmen aus der erhöhten Grunderwerbssteuer.

Steigende Mieten wären kein Problem, wenn die Einkommen mitsteigen würden. Dies soll jedoch nicht geschehen - die deutsche Wirtschaft soll international wettbewerbsfähig bleiben. Also gibt’s nur eins: Der Staat muss bezahlbaren Wohnraum schaffen. Denn ein Menschenrecht auf Wohnraum gibt es. Ein Menschenrecht auf Rendite nicht.

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