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Kuba und der Fall Alan Gross

Der US-Amerikaner hofft auf Gefangenenaustausch

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Gibt es eine Chance zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Havanna? Derzeit scheint unter anderem der Fall Alan Gross dagegen zu sprechen.

Die mexikanische Nachrichtenagentur Notimex überraschte mit der Meldung, »eine hohe Funktionärin der amerikanischen Regierung« habe gesagt: »Präsident Barack Obama ist bereit, mit Kuba und Venezuela zu kooperieren, wenn beide Länder sich öffnen.« Beginnen könne man mit dem notwendigen gemeinsamen Kampf gegen den illegalen Drogenhandel. Die Dame, so Notimex, habe anonym bleiben wollen und hinzugefügt: »Immer wenn sich eine US-Regierung anschickt, die Beziehungen zu Kuba zu verbessern, passiert etwas, was dies verhindert.«

Die Dame erinnerte an 1996, als zwei Kleinflugzeuge der von Miami aus operierenden konterrevolutionären »Rettungsbrüder« (Hermanos al Rescate), die Kubas Luftraum verletzt hatten, abgeschossen wurden, wobei die Piloten umkamen. Eindringliche Ersuchen Havannas an Washington, solche Provokationen zu unterbinden, waren fehlgeschlagen. Präsident Bill Clinton, der seine Fühler ausgestreckt hatte, um das Terrain für Verhandlungen mit Kuba zu erkunden, musste schließlich sogar die Helms-Burton-Blockadegesetze unterzeichnen.

Noch eklatanter war, was 1963 geschah. Präsident John F. Kennedy und Fidel Castro hatten streng geheim gehaltene Kontakte aufgenommen, um zu erkunden, wie die beiden Nachbarn vernünftig miteinander auskommen könnten. Es endete mit der Ermordung Kennedys.

Heute gibt es den Fall Alan Gross. Der heute 63-jährige US-Amerikaner war von einer Filiale der dem Außenministerium zugehörigen USAID unter Vertrag genommen worden, um der jüdischen Gemeinde in Kuba (1500 Mitglieder) behilflich zu sein, einen Zugang zum Internet einzurichten. Viermal reiste er ohne Schwierigkeiten in Kuba ein, beim fünften Versuch wurde er 2009 verhaftet. Im Gepäck hatte Gross ein Dutzend Medienabspielgeräte, elf Smartphones, drei Notebooks, dazu hoch entwickelte Geräte für den Bau von Kommunikationszentren und spezielle Chips für Mobiltelefone, die zur Ausrüstung von Pentagon und CIA gehören. Einfuhr und Einsatz dieser Chips nach und in Kuba sind ausdrücklich verboten.

Im Prozess kam zur Sprache, dass Gross in den USA Helfer angeworben hatte, die Teile seiner Fracht in Kuba einflogen. Er selbst wollte nicht wegen allzu umfangreichen Gepäcks die Aufmerksamkeit der Zollbehörden erregen. Seine Kontaktaufnahme zu einem kubanischen Doppelagenten war ebenfalls nicht dazu angetan, Gross als Unschuldslamm erscheinen zu lassen. Er wurde 2011 wegen subversiver Aktivitäten gegen Kubas nationale Sicherheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. Im Prozess hatte er geklagt, er sei betrogen und ausgenutzt worden. Gross bat die kubanische Regierung um Verzeihung. Ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde sagte übrigens, den Internetzugang habe man längst gehabt.

Sarah Stephens, Exekutivdirektorin des Zentrums für Demokratie beider Amerikas in Washington, sieht in Gross ein Opfer verfehlter USA-Politik. Die USAID sein ein trauriges Erbe aus dem Kalten Krieg. Die Agentur wurde tatsächlich immer wieder fern ihres offiziellen Auftrags, Demokratie und Entwicklung zu fördern, zu Spionage- und Unterwanderungszwecken in der Dritten Welt eingesetzt. Als USAID-Sprecher Baily befragt wurde, ob man Gross die bewussten Chips geliefert habe, antwortete er freilich empört: »Wir sind eine Agentur für Entwicklungshilfe, keine Agentur der Geheimdienste.«

Gross und seine Frau verklagten die USAID-Filiale, für die er unterwegs war, und die USA-Regierung auf Schadenersatz in Höhe von 60 Millionen Dollar. Begründung: Sie hätten Gross nicht angemessen ausgebildet und auf die Risiken seiner Mission in Kuba hingewiesen.

Seit ein paar Wochen eskaliert die antikubanische Kampagne im Fall Gross erneut. Beklagt wird eine besorgniserregende Verschlechterung seines Gesundheitszustands, obgleich Gross sich in den Händen eines erstrangigen kubanischen Ärzteteams befindet. Rabbiner Elie Abadie von der Edmund J. Safra-Synagoge in New York, selbst Mediziner, war zwei Stunden mit Gross zusammen und sagte danach: »Er ist guter Stimmung, fühlt sich physisch fit. Natürlich will er raus.« Krebs habe Gross nicht, »es ist ein Hämatom infolge seiner Gymnastikübungen, das von allein verschwinden wird. Ich denke, er sieht das ebenso.«

Rabbiner David Shneyer besuchte Gross ebenfalls. In einem Blog teilte er mit, dass der Gefangene nach dem Austausch der 1000 Palästinenser gegen den israelischen Soldaten Gilad Shalit gefragt habe, ob so etwas in seinem Fall nicht auch möglich sei. Jedem Kenner fallen dabei die »Cuban Five« ein. Rabbi Abadie wusste noch eines: Kubanische Funktionäre seien mehr als bereit zu Verhandlungen.

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