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Russland plant Einführung einer Luxussteuer

Wer seinen Reichtum zur Schau stellen will, soll auch dafür zahlen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Neujahrsfeiern, wie aufstrebende Unternehmen sie derzeit im Moskauer Umland veranstalten, sind auch dazu gut, der Konkurrenz mal richtig zu zeigen, was eine Harke ist.

Für Gagen in Millionenhöhe werden derzeit Popstars und Porno-Diven mit 20 Kilo schweren Silikonbrüsten eingeflogen. Um die Gäste aus günstiger Perspektive abzulichten, wurde auf einer der Sausen der Fotograf an eine Trosse gekettet und in die Höhe gehievt. Die neuen »Eliten« waren entzückt.

Staatsdiener wollen da nicht nachstehen. Ein einfacher Beamter einer Verwaltungsbehörde in einer Satellitenstadt im Moskauer Nordosten mietete für seine Geburtstagsfeier einen kompletten Messepavillon auf dem Gelände der einstigen »Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft«. Sang und Becherklang währten bis spät in die Nacht. Man trennte sich dann jedoch, wie das Fernsehen ätzte, ohne Schlägereien und zerdeppertes Geschirr. Darüber war in den Achtzigern der KPdSU-Chef von Leningrad gestürzt. Er hatte im Palast von Katharina der Großen getafelt und hernach deren Tafelservice an den Wänden zerschellen lassen. Niemand sollte mehr davon speisen. So ehrte einst der russische Hochadel besonders liebe Gäste. Jetzt kommt der Brauch erneut in Mode. Beim Geldadel.

Doch bald schon könnte Schluss mit lustig sein. Präsident Wladimir Putin machte sich in seiner Jahresbotschaft an das Parlament - sie fiel zeitlich mit den ersten skandalumtosten Neujahrsfeten zusammen - für die Einführung einer Luxussteuer stark. Sie soll für Luxuskarossen und Edelimmobilien - darunter auch für Besitz im Ausland - erhoben werden. Details sind bisher unklar, doch die Duma will sich damit bereits im kommenden Jahr befassen.

Zwar werde sich der Nutzen für den Staatshaushalt in Grenzen halten, glaubt die Mehrheit der Experten. Wichtig sei jedoch ein Signal. Denn krasse Einkommensunterschiede sorgen für dumpfes Unbehagen über mangelnde soziale Gerechtigkeit. Exzesse wie bei den Neujahrsfeiern, fürchtet sogar die staatsnahe Elitenforscherin Natalja Narotsch᠆nitzkaja, würden die Fragmentierung der Gesellschaft beschleunigen und hätten daher einen hohen sozialen Preis. Die Konsumgesellschaft, warnte der Publizist Juri Kubanowski, müsse sich Beschränkungen auferlegen, weil sie sonst dem Untergang geweiht ist.

Für den Besitzer eines Rolls Royce, glaubt Alexander Po᠆tschinok, Mitglied des Föderationsrates, komme es in erster Linie nicht darauf an, von A nach B zu gelangen, sondern darauf, Reichtum zur Schau zu stellen. Dafür möge er, bitte sehr, zahlen. So wie in Dänemark, wo bei der Zulassung einer Luxuskarosse 105 Prozent des Kaufpreises fällig werden. Am liebsten würde der Senator, der in den 90er Jahren selbst Russlands oberster Steuereintreiber war, die Luxussteuer auch für bereits getätigte Käufe erheben. Russland ist seit Jahren weltweit größter Importeur von Edelkarossen. Allein in Moskau sollen 2500 Bentley, 600 Maserati, 500 Rolls Royce und 400 Ferrari registriert sein. Der Kaufpreis einzelner Modelle liegt bei 70 Millionen Rubel, rund 1,75 Millionen Euro. Und das in einem Land, wo nach offizieller Statistik 20 Millionen Menschen - jeder siebte - unterhalb der Armutsgrenze leben.

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