Wenn Liebe trennt

Geschlechter-Revue im Renaissance-Theater

  • Kilian Klenze
  • Lesedauer: 3 Min.

Was wären die Frauen ohne Männer? Und was wären, erst recht, die Männer ohne ihre Frauen? Diese Fragen dürften uns Menschen bewegen, solange wir denken können. Ohne greifbares Ergebnis. Diesmal versuchen sich fürs Renaissance-Theater Torsten Fischer als Regisseur und sein Dramaturg Herbert Schäfer an dem Thema. Und gewinnen ihm in der Tat ein paar neue, vor allem amüsante, jedoch auch bedrückende Aspekte ab. Schäfer hat dazu für sein Buch im Garten der Literatur ebenso geerntet, wie er auf der Wiese des Chansons, Couplets, Schlagers gepflückt hat. Manches erste Sahne, Goethe beispielsweise. Sein Mephisto steht als der leibhaftige Versucher und Verderber des getreulich strebenden Mannes. In der »Revue über den kleinen Unterschied« bleibt er knappe zweieinhalb Stunden lang, grell weiß geschminkt und mit aufgepappten roten Hörnchen, jener, der die Chose anrollen und dann fortlaufen lässt: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, rät er in seinem Monolog. Solch Schauspiel wollen wir auch geben, rufen da begeistert seine vier Mitstreiter, im schwarzen Frack wie er selbst. Doch vornehmer Habit kaschiert nicht, was unterm Zwirn brodelt. Und so faltet sich in Vasilis Triantafillopoulos‘ funkelnder Stoffkulisse und zur empfindsamen Begleitung der Band (Leitung: Harry Ermer) ein Bilderbogen der Gefühle auf.

Als der Mond erscheint, hat Helen Schneider mit Brecht/Weills »Moon of Alabama« ihr Entree. Dann reihen sie sich, sinnreich inszeniert, in die Textpassagen von Goethe, Shakespeare, auch Wedekind ein, die großen Musiktitel zum Thema. Geflirtet wird etwa mit dem Teufel des Guntbert Warns: Obwohl das Fräulein Arm und Geleit ablehnt, wird sie als »Fräulein, pardon« angesungen und als »reizend« beschrieben. »Nimm dich in Acht vor blonden Fraun« warnt im Tango-Rhythmus Anika Mauer, hier ganz Dame im Glitzerfummel. »Ein Freund, ein guter Freund« wollen die drei Herren, außer Warns Roberto Guerra und Andreas Bieber, darüber hinwegsingen. »Diamonds are a girl’s best friend« findet Helen Schneider in einer wunderbar eigenen Version des einst von der Monroe hingehauchten Songs. Was Frauen geschehen kann, die zu viel lieben, weiß Mauer: Ihr »Egon« hat sie trinken und sinken lassen. Ein gestalterischer Höhepunkt. »Alles mit den Beinen« macht dann, auf dem Seil schwingend, im Friedrich-Hollaender-Takt Bieber. Da hilft nur Partnerwahl mit den »Two Ladies« aus »Cabaret«, worauf Ernüchterung folgt: »Also das ist die Liebe« resigniert Mauer, »heut tot und müd und ausgeglüht«.

Wieder ein Höhepunkt: Warns‘ unnachahmliches Couplet um die Entstehung des Stroganoff-Filets, aus betrogener Liebe nämlich. Mit dem Hinweis, schöne Frauen kosten sehr viel Geld, wenn man sie töten wolle, geht man nachdenklich in die Pause. Danach dreht sich der Spieß um. Frack tragen nun nur noch die beiden Damen, die Herren erscheinen aufgebrezelt als Frauen mit Hochhackigen. Bevor die Liebe entstand, weiß Bieber, waren die Geschlechter eins, bis Zeus sie trennte, aus dem Einwesen zwei machte, die fortan nacheinander suchen. Besinnlich das Finale: »Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre«. Auch diesmal wieder kein greifbares Ergebnis, dafür jede Menge intelligenter Spaß.

31.12., Renaissance-Theater

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal