Baupfusch unterm Gleisbett

Sanierungsarbeiten am Bahnhof Friedrichstraße dauern auf unbestimmte Zeit an

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Filialleiter Dietmar Weiße steht inmitten seiner Buchhandlung am Bahnhof Friedrichstraße. Kunden schlängeln sich an ihm vorbei. Der ohnehin beengte Verkaufsraum wird in diesen Tagen durch Baugerüste zusätzlich verkleinert, an der Decke ziehen sich dicke Holzplatten durch den halben Buchladen. Die Konstruktion dient der Sicherung, seit sich am 13. Dezember ein etwa 25 Kilogramm schweres Betonteil von der Zwischendecke löste und in der Halle unterhalb des Bahnsteigs 4 zerschellte. Dietmar Weiße und andere Händler mussten daraufhin ihre Geschäfte für eine Woche schließen. »Uns entging die wichtigste Woche des Weihnachtsgeschäfts«, beklagt der Filialleiter, weil die beauftragte Gerüstbaufirma nicht über ausreichend Kapazitäten verfügte.

Noch schlimmer trifft es eine Bäckerei und die Filiale einer Drogeriemarktkette, die seit dem Vorfall aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Ob und wie viel Schadensersatz geleistet wird, steht noch nicht fest. Genauso wenig, wie lange die Einschränkungen andauern werden. Dies hängt davon ab, wie lange Hilmar Barthel, Leiter des Bau- und Anlagenmanagements im Regionalbereich Ost der Deutschen Bahn, und sein Team brauchen, um mögliche weitere Schäden ausschließen zu können.

Sehr ungewöhnlich findet Barthel den Grund für den Vorfall. Der Vorwurf von Baupfusch liegt in der Luft. Normalerweise sind die Stahlträger der gegenwärtig zu untersuchenden Bahnsteige 1 bis 4 nur aufgelegt, um Schäden durch Erschütterungen zu vermeiden, wenn die tonnenschweren Züge ein- und ausfahren. Im Fall des herabgestürzten Betonbrockens war die betroffene Lagerung mit Beton ausgefüllt, sodass die Konstruktion den entstehenden Druck nicht mehr ausgleichen konnte. Die übertragenen Schwingungen führten schließlich zum Betonabbruch.

Ungeklärt ist laut Barthel bisher, weshalb bei Sanierungsarbeiten im Jahr 1998 ein Teil der insgesamt 244 sogenannten Auflager mit Beton verfüllt wurde. Experten der Bahn und unabhängige Sachverständige prüfen derzeit, wie viele Bauteile betroffen sind. Einfach ist die Aufgabe nicht, da die Arbeiten in einer Höhe von sieben Metern ausgeführt werden. Mal kommen die Gutachter nur von unten, mal nur von oben an die Auflager heran.

Bis Ende Januar will die Bahn die Analyse der Schäden abgeschlossen haben. »Vom Ergebnis hängt ab, wie lange die Instandsetzung der schadhaften Lager dauert«, erklärt Barthel. Entsprechendes gilt für die Höhe der Sanierungskosten, wobei Barthel nicht mit einem Millionenschaden rechnet. Von der Überprüfung sind nur die vier Gleise des Regional- und Fernverkehrs betroffen, da die Konstruktion bei der S-Bahn eine andere ist. Zudem seien keine weiteren der 17 Berliner Bahnhöfe mit Anbindung an den Zugverkehr betroffen, da auch hier die Konstruktion anders sei, heißt es. Vermutlich wird die Deutsche Bahn gegenüber den damals ausführenden Baufirmen keine finanziellen Ansprüche durchsetzen können. Bartel erklärt, die Fristen dazu dürften längst verjährt sein.

Dietmar Weiße und die weiteren Händler hoffen indes, dass die Sanierungsarbeiten möglichst ein rasches Ende finden.

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