Heiße Luft, halbe Wahrheiten

Teil eins der Dopingbeichte lässt Reformbemühungen im Radsport sinnlos erscheinen

Doping hat also dazugehört, bei allen sieben Tour-Siegen, so sagte es jedenfalls US-Radprofi Lance Armstrong im ersten Teil seiner Dopingbeichte, die in der Nacht zu Freitag ausgestrahlt wurde: Doping gehörte zum Radsport »wie Reifen aufpumpen«. Für alle, die auf eine Erneuerung des Radsports hoffen, fiel sein Geständnis allerdings zu dürftig aus.

Unbeirrt im schwersten Moment seiner Karriere: Auch bei seiner »Beichte« im US-Fernsehen war der Straßenradsportler Lance Armstrong der kontrollierte Profi. Noch immer beherrscht er das Spiel mit der Kamera. Gedopt? Hat er nur bis 2005 - just so lange, wie auch bei allen Misstaten die Verjährung greift. 2009 und 2010 hingegen sei er sauber gefahren. Was wusste die UCI, der Radsportweltverband? Nichts, sagt Armstrong. Absolut nichts.

So verwunderte es nicht, dass UCI.Präsident Pat McQuaid (Irland) und dessen bis 2005 tätiger Vorgänger Hein Verbruggen (Niederlande, seit 1996 IOC-Mitglied, seit 2008 Ehrenmitglied) sich mit ihren Statements beeilten: »Das war ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg, den Schaden zu reparieren, den der Radsport erlitten hat, und um das Vertrauen in den Sport zurückzugewinnen«, so lautete McQuaids Interpretation des Armstrong-Auftritts. Und Verbruggen argumentierte ähnlich: »Nach Jahren der Verdächtigungen gegen mich bin ich froh, dass diese Verschwörung letztlich nichts mehr als eine haltlose Theorie war«, sagte der 71 Jahre alte Niederländer der Nachrichtenagentur ANP. Am Ende erteilte Lance Armstrong den UCI-Granden bei seinem Interview sogar noch eine Art Absolution.

Beim IOC gab man sich streng: »Wir erwarten von Armstrong, jetzt alle Beweise den Antidoping-Gremien vorzulegen, so dass wir diese dunkle Episode hinter uns bringen können und vorankommen - stärker und sauberer«, hieß es in der Erklärung. Am Mittwoch war Armstrong aufgefordert worden, seine Bronzemedaille von 2000 zurückzugeben.

Zwölf Begleiter soll Armstrong zum Interview mitgebracht haben, Manager, Berater, Rechtsanwälte. Und doch: Am Ende wählte der stets so eloquente Texaner, den sich eine Menge Leute als zukünftigen Politiker gewünscht hatten, die selbe tumbe Rechtfertigungsstrategie, für die einst der treudoofe Jan Ullrich verlacht wurde: Er habe niemanden betrogen, denn alle hätten doch gedopt. Chancengleichheit unter Profis.


Jörk Jaksche (ehemaliger Radprofi und geständiger Dopingsünder): »Das Outing war für die Katz. Er hat zähneknirschend eingestanden, aber er war nicht der große Aufklärer. Meine Erwartungen wurden erfüllt, ich habe mir gedacht, dass es so kommt. Die Quintessenz war, so meine ich, dass es nach seiner Ansicht offenbar das Dümmste war, wieder zurückzukommen.«

Uwe Ampler (Ex-Straßenrad-Weltmeister und viermaliger Friedensfahrtsieger, heute Trainer in Leipzig): »Lance Armstrong hat sich immer noch voll unter Kontrolle. Er hat sich ein großes Imperium aufgebaut, von dem er keinen Millimeter preis gegeben hat. Doping ist ein perverser Kreislauf. Von den Pharmakonzernen werden ständig neue Produkte auf den Markt geworfen, die besonders auf den Sport zielen. Der Sport ist ein großer Absatzmarkt. Es kann mir jeder erzählen, was er will: Ich bin fest überzeugt, wo Leistungssport im Spitzenbereich getrieben wird, spielt Doping immer eine Rolle.«

Sylvia Schenk, Ex-Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer und Vorstandsmitglied von Transparency International: »Es muss eine grundlegende Reform, vor allem einen Wandel dieser Kultur geben. So lange dort nicht grundlegend aufgeräumt wird, andere Strukturen eingezogen werden, wird der Radsport nicht zu retten sein.«

Michael Schiffner (DDR-Friedensfahrt-Kapitän 1972 bis 1976): »Wenn die Leute nun annehmen, jeder Rennfahrer oder Sportler dopt, haben sie keine Ahnung oder sind falsch informiert. Sie wissen einfach nicht, was so eine EPO-Kur kostet. Eine EPO-Kur für einen einzigen Profi würde den Jahresetat meiner Mannschaft von LFV Markranstädt schlucken. Die meisten Profis, selbst bei der Tour, könnten sich teure Dopingpräparate gar nicht leisten. Außerdem ist es auch nicht so, dass gedopte Sportler den ganzen Tag auf dem Sofa liegen, dann ein paar Tabletten einwerfen und schließlich munter den Col du Tourmalet hochradeln. Hart trainiert hat auch Armstrong.«

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