Die Wirtschaft hat Vorrang

Linkspartei und Grüne scheitern mit Anträgen zu einer neuen Lateinamerikapolitik

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor allem die europäische Wirtschaft erhofft sich von dem Gipfel der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik Impulse. Die deutsche Linke wünscht sich dagegen eine solidarische Politik mit Lateinamerika.

In gleich mehreren Anträgen haben Linkspartei und Grüne am Donnerstagabend eine Änderung der deutschen Lateinamerikapolitik gefordert. Während sich die Grünen für die Unterstützung einer »sozial-ökologischen Transformation« aussprachen, drängte die Linkspartei in mehreren Anträgen auf eine Neuorientierung der Positionierung gegenüber Lateinamerika. So solle die Regierung den laufenden Friedensprozess in Kolumbien ebenso unterstützen wie die regionale Integration in Lateinamerika. In dem dritten Antrag formulierte die Linksfraktion Verhandlungsziele für den Ende dieses Monats bevorstehenden ersten Gipfel zwischen der Europäischen Union und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac).

Dieses Treffen hat auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Lateinamerika große Bedeutung. Die Erkrankung des venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez hat bei vielen europäischen Akteuren die Hoffnung auf eine Schwächung der progressiven Bewegung südlich der USA geschürt. In diesem Falle könnten auch wirtschaftspolitische Ziele leichter durchgesetzt werden, die Außenminister Guido Westerwelle Anfang 2010 im Lateinamerikakonzept der Bundesregierung formuliert hat. Angela Merkel wird daher persönlich an der Konferenz in Santiago de Chile teilnehmen.

Gegen die vorrangig wirtschaftlichen Zielsetzungen wandte sich nun die Linkspartei. Im Konzept zu Lateinamerika und der Karibik stünden die Interessen der deutschen Unternehmen sowie die Vernetzung der politischen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands und Lateinamerikas im Vordergrund, kritisiert einer der Anträge. »Das Lateinamerikakonzept der Bundesregierung bündelt Entwicklungs- und Außenpolitik, weg von den Schwerpunkten Armutsbekämpfung, Ressourcenschutz und Demokratieförderung hin zu einer einseitig auf freien Welthandel gerichteten neoliberalen Wirtschaftsförderung«, heißt es in dem Text weiter. Es zielte damit deutlich auf die Erschließung neuer Rohstoffe, Absatzmärkte und Investitionsfelder ab. Auch verschließe sich die Bundesregierung der Einsicht, dass in Lateinamerika »längst notwendige Alternativen zum herrschenden Weltwirtschaftssystem formuliert und erprobt werden«. Ein weiterer Antrag forderte daher die Überarbeitung des Konzeptes. Die Forderungen scheiterten freilich an der geschlossenen Front der Regierungsparteien und der SPD.

Die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erlaubte indes einen Einblick in den offiziellen Diskurs. In Lateinamerika stehe angesichts des erwarteten personellen Wandels in Venezuela ein »Zeitenwandel« bevor, schrieb unlängst der ehemalige SWP-Chef Günther Maihold. Ein krankheitsbedingter Rückzug des venezolanischen Präsidenten und eine damit einhergehende Schwächung der »Bolivarianischen Revolution« eröffne die »Chance für eine weniger ideologisierte und pragmatischere Politik«, schätzte Maihold. Weil die lateinamerikanischen Regionalmächte Mexiko und Brasilien bei der von ihm prognostizierten Systemreform in Venezuela und Kuba vorrangig an der politischen Stabilität interessiert seien, müsse Deutschland »energisch (...) Programme der Demokratieförderung und der ordnungspolitischen Beratung« vorantreiben. Mittelfristig stünden in Venezuela und Kuba »Demokratie und die Transformation der wirtschaftlichen Ordnung« an, so Maihold weiter.

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