Teil 2 der Dopingbeichte von Lance Armstrong

"Ich habe es für meine Kinder gemacht"

  • Lesedauer: 4 Min.
Lance Armstrong hat im zweiten Teil des Interviews mit der Talkshow-Größe Oprah Winfrey erneut wenig Erhellendes mitgeteilt. Wie erwartet spielten Emotionen eine große Rolle.

Austin/München (SID) Lance Armstrong weiß, was sich in Amerika gut verkauft. Es ist die ehrliche Reue eines Gefallenen. Es sind die großen Emotionen, die Gefühle und die Tränen, unter denen der Sünder seine Beichte ablegt. Sie bewegen das Publikum. Und so drückte Lance Armstrong im zweiten Teil seines Interviews mit Fernseh-Beichtmutter Oprah Winfrey selbstverständlich auf die Tränendrüse. Er sprach über seine Kinder, das kommt immer gut an. Er verriet, in therapeutischer Behandlung zu sein. Er redete viel über sich, seine Fehler.

Erhellendes zum Thema Doping sagte Lance Armstrong nicht. Keine Hintergründe. Kein Geheimnisverrat. Keine Namen. Nichts. Stattdessen eine Erklärung, warum er nun plötzlich mit der Sprache herausgerückt sei. Die Kontroverse um ihn sei "außer Kontrolle" geraten, sagte er, sie habe vor allem die älteren seiner fünf Kinder beeinträchtigt. Er habe nicht mehr gewollt, dass sie Teil seiner Lügengeschichte seien. Er habe Luke (13), seinem Ältesten, gesagt: "Verteidige mich nicht mehr." Es war die Stelle des Interviews, an der Tränen flossen.

"Ich habe gesehen, wie mein Sohn mich verteidigt, wie er gesagt hat: 'Das ist nicht wahr. Was ihr über meinen Dad sagt, es ist nicht wahr'. Da wusste ich, dass ich es ihm erzählen muss. Er hatte mich nie gefragt. Er hatte nie gesagt, 'Dad, ist das wahr?'. Er hat mir vertraut", berichtete Armstrong mit brüchiger Stimme und geröteten Augen. Die ganze Angelegenheit, ergänzte der 41 Jahre alte Texaner, habe auch bei seiner Mutter Linda Spuren hinterlassen. Sie sei "ein Wrack", sagte Armstrong.

Besonders getroffen habe ihn nach der Veröffentlichung der Dokumente der US-Anti-Doping-Agentur USADA im vergangenen Oktober der Rückzug aus seiner 1997 gegründeten Krebsstiftung "Livestrong", berichtete Armstrong. Es sei der "demütigendste Augenblick" während der ganzen Geschichte gewesen. "Die Stiftung war so etwas wie mein sechstes Kind. Ich würde nicht sagen, ich bin rausgedrängt worden. Es war das Beste für die Organisation, aber es tat höllisch weh. Das war der Tiefpunkt", sagte Armstrong.

Konfrontiert mit dem Vorwurf, er habe während Ermittlungen der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) versucht, die Agentur durch eine Spende in Höhe von 250.000 Dollar zu bestechen, sagte Armstrong: "Das ist nicht wahr." Darüber hinaus betonte er, bei seinem Comeback 2009 sauber gewesen zu sein. Er habe dies seiner ersten Frau Kirsten, die von seinem Doping ein wenig Ahnung gehabt habe, versprochen. "Daran habe ich mich immer gehalten, ich hätte sie nie verraten", sagte er. Ab 2005 habe er keine verbotenen Substanzen mehr zu sich genommen.

Nachdem ihm Winfrey ein Video aus dem Jahre 2005 gezeigt hatte, in dem er unter Eid gegen eine PR-Firma aus Dallas aussagte und die Doping-Vorwürfe leugnete, fragte die Talk-Lady Armstrong: "Wer ist dieser Kerl?" Armstrong entgegnete, dies sei ein Kerl, der "in der Tat geglaubt hat, unbesiegbar zu sein." Noch sei "ein Teil dieser Persönlichkeit" in ihm, sagte er und räumte ein, sich wegen seines "narzisstischen" Verhaltens in therapeutische Behandlung begeben zu haben. Er brauche das: "Ich habe ein schmutziges Leben geführt."

Armstrong hofft durch seine Doping-Beichte auf die Reduzierung seiner lebenslangen Sperre und ein Wettkampfcomeback. "Hölle, ja! Ich bin ein Wettkämpfer", sagte er. Zugleich ergänzte er, er halte es nicht für fair, lebenslang gesperrt zu sein. "Ich verdiene es, bestraft zu werden. Ich bin nicht sicher, ob ich die Todesstrafe verdiene." Um eine Reduzierung seiner Strafe zu erwirken, müsste Armstrong seine Geständnisse bei Winfrey allerdings unter Eid wiederholen. Und wohl auch gegen andere aussagen.

Er habe 75 Millionen Dollar von seinen Sponsoren verloren, berichtete Armstrong. Und sein ehemaliger Team-Sponsor "US Postal" könnte weitere 30 Millionen Dolar zurückverlangen. Vor allem jedoch betonte Armstrong, wie sehr ihm alles Leid tue, wie "deeply sorry" er sei für all das, was er getan habe. Er fühle sich "erniedrigt", klein, er schäme sich, "ja, das ist hässliches Zeug", erklärte er. Und ja, versicherte Armstrong er verspüre Reue, "absolut", dies seien jetzt aber auch nur "die ersten Schritte" für ihn.

"Ich zahle einen Preis", sagte Armstrong, "und ich verdiene es." Er sagte, was reuige Sünder in Amerika eben sagen müssen. Doch recht überzeugend wirkte er dabei nicht. Und allzu sehr scheint dies auch die Amerikaner nicht mehr zu interessieren. Im Schnitt sahen nur 3,2 der knapp 315 Millionen Amerikaner den ersten Teil der Beichte. Mit dem Interview mit der Tochter der verstorbenen Whitney Houston hatte Winfrey eine bessere Quote. Zum Abschluss sagte sie: "Ich hoffe, die Moral dieser Geschichte ist, dass dich die Wahrheit frei macht."

Doch was ist die Wahrheit? Die Zeitung USA Today zog eine Bilanz des Interviews, und sie ist vernichtend. "Nicht mal Manti Te'o kauft Lance ab, was er gesagt hat." Die Geschichte von Manti Te'o ist die derzeit größte Geschichte in den USA - sicher nicht Armstrong. Der Football-Spieler Manti Te'o ist der Star der berühmten Universität Notre Dame. Er weinte mit der ganzen Nation um seine verstorbene Freundin. Eine Freundin, die es nie gegeben hat.

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