Anschub in der Flaute

Die Düsseldorfer Messe »Boot 2013« zeigt, wie die Branche die neuen Führerscheinregeln nutzen will

  • Jochen Bülow, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bootshersteller, Charterer und Marinas versprechen sich gute Geschäfte von der jüngsten Lockerung der Führerscheinbestimmungen für Freizeitkapitäne. Auf der Wassersportmesse »Boot 2013« in Düsseldorf sind zahlreiche Angebote an die neue Zielgruppe zu beobachten.

»Ein Auto braucht man immer - ein Boot ist purer Luxus«, bringt ein Verkäufer der renommierten Segel-Yachtwerft »Dehler« simple Wahrheiten auf den Punkt. Dass Alltag vor Extra kommt - das spürt der Wassersport seit dem stürmischen Jahr 2009, als die Umsätze um 60 Prozent einbrachen: Der Crash der Finanzmärkte war sozusagen der akute Seenotfall der Branche. Seitdem hat sich der Markt auf diesem Niveau eingependelt. Reihenweise strichen weltbekannte Werften die Segel, Konzentrationsprozesse, Betriebsverlagerungen und Schließungen kosteten nicht zuletzt Arbeitsplätze.

Im Bootsbereich nahm man nur bei zwei Segmenten Fahrt auf: Chartern, vorzugsweise in sonnigen Gefilden, zunehmend auch in Übersee, ist in. Und erhalten, was man hat: Refit, die Bootsüberholung oder Sanierung, hat Konjunktur. Neue Boote aber sind schwer an den Skipper zu bringen: Wenn überhaupt, macht der Superyacht-Bereich die Ausnahme. Aber Schiffe im zweistelligen Millionenbereich werden naturgemäß nur in kleinen Stückzahlen verkauft. Der Branche kam deshalb eine Initiative gerade recht, die seit Jahren die Lockerung der Führerscheinbestimmungen für Freizeitkapitäne fordert: Seit Anfang des Jahres braucht keinen Befähigungsnachweis, wer bis zu 15 PS starke Schiffe manövriert.

»Ein gefährlicher Skandal«, hieß es darauf hin von den Wassersportverbänden, die den Verdacht allerdings nie entkräften konnten, ihnen ginge es weniger um die Sicherheit auf dem Wasser als um das lukrative Geschäft mit Führerscheinkursen und -prüfungen. Wie die noch bis Sonntag laufende Messe »Boot 2013« in Düsseldorf zeigt, haben die Hersteller von Booten und Motoren zum Saisonauftakt des ersten führerscheinfreien Jahres reagiert: Egal ob Schlauchboot oder Fest-rumpf, ob Verbrennungs- oder Elektromotor - das Angebot für die neue Zielgruppe ist vielfältig: »Den erleichterten Einstieg in den Bootssport kann die Branche gut gebrauchen. Immerhin ist der durchschnittliche Bootsfahrer bereits 56 Jahre alt. Und in den nächsten Jahren werden bei weitem mehr Menschen den Bootssport aus Altersgründen verlassen als neu hinzukommen«, skizziert Jürgen Tracht vom »Bundesverband Wassersportwirtschaft« die trüben Aussichten. Tatsächlich sind die Messehallen der Segel- und Motorboote vor allem von älteren Semestern besucht.

Ganz anders das Bild in den Hallen 1 und 2: Hämmernde Bässe empfangen die Besucher schon draußen im Freigelände, drinnen drängt sich die Jugend um die Trendsportstände. Wakeboard und Surfen, Kiting, Stand-Up-Paddling und Skimboarding machen die Lust am Wasser jugendgerecht. Und auch, wer ein Herz für etwas ausgefallenere Kleidung hat, wird hier fündig.

Natürlich nimmt auch das Tauchen breiten Raum ein, das sich mit Foto und Film einen neuen und umsatzträchtigen Markt erschlossen hat: Von der wasserdichten Schnappschuss-Knipse für 25 Euro bis zur mehrere zehntausend Euro teuren Profiausrüstung ist so ziemlich alles zu haben, was das Herz des Unterwasser-Foto-Fans begehrt. Schade nur, dass in Nord- und Ostsee die trüben Wasser nicht zum Fotografieren einladen - und das Mittelmeer wegen der Unterwasserjagd und der Überfischung immer fischfreier wird.

Mit Blick auf die neue Führerscheinfreiheit hoffen schließlich auch Bootsverleiher und Marinas in den deutschen Wassersportgebieten auf gute Geschäfte. Und - nach zwei eher durchwachsenen Sommern - auf ein stabiles Azorenhoch.

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