Vorstoß zu Atlantik-Handelsbrücke

US-Präsident drängt auf Abkommen mit der Europäischen Union, doch die Hindernisse sind sehr hoch

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Barack Obama möchte ein Freihandelsabkommen mit der EU. Frühere Versuche scheiterten vor allem an zu hohen Zulassungshürden für Chlor-Hähnchen oder Beatmungsgeräte.

In seiner Rede zur Lage der Nation hat sich US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend für eine transatlantische Freihandelszone mit der EU ausgesprochen. »Fairer und freier Handel über den Atlantik sichert Millionen gut bezahlter amerikanischer Jobs«, begründete Obama seinen nicht überraschenden Vorstoß. Er kündigte die Aufnahme offizieller Verhandlungen mit der EU an.

Ein transatlantischer Binnenmarkt würde über 40 Prozent des weltweiten Außenhandels auf sich vereinen - zum Vergleich: China kommt gerademal auf rund 10 Prozent. In Europa stößt die Idee einer »Wirtschafts-Nato« meist auf Wohlwollen. Angela Merkel will sie, der britische Premierminister David Cameron ohnehin und auch Frankreich pflegt enge Handelsbeziehungen mit den USA, die durch einen gemeinsamen Binnenmarkt angekurbelt werden könnten. Viele Industrieverbände stimmen in den Chor mit ein. Widerstand ist vor allem aus der Agrarwirtschaft zu erwarten. Aber auch der deutsche Außenhandelsverband BGA ist gegen eine Abschottung nach dem Motto: »Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen.« Besser sei es, den gesamten Welthandel zu liberalisieren.

Gegenwind dürfte Obama auch zu Hause erwarten. Viele rechte Politiker im Kongress lehnen Freihandel ab - daran drohte schon das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Abkommen mit Südkorea zu scheitern. In der EU befürchten linke Parteien, dass Freihandel schwächeren Volkswirtschaften schadet.

Seit dem offenkundigen Scheitern der bereits im Jahr 2001 gestarteten Welthandelsrunde über ein internationales Freihandelsabkommen im Rahmen der WTO konzentrieren sich große Staaten und auch die EU auf zweiseitige Verträge. Hinter der Obama-Offensive steht zudem die Sorge um den schwindenden Einfluss der dominierenden Wirtschaftsmacht des 20. Jahrhunderts vor allem gegenüber China.

Das Reich der Mitte war 2012 zur größten Handelsnation der Welt aufgestiegen: Nach vorläufigen Zahlen führte das Land Waren im Gesamtwert von 3,87 Billionen Dollar ein oder aus. Das Außenhandelsvolumen der USA betrug 3,82 Billionen Dollar. Erst 2009 waren die Chinesen zum größten Warenexporteur aufgestiegen - bis dahin war Deutschland »Exportweltmeister«. Auch wenn die Einfuhren des Roten Riesenreiches seit einiger Zeit schneller zulegen als die Ausfuhren von Spielzeug, T-Shirts und Smartphones, beklagt die US-Wirtschaft einen viel zu niedrigen Wechselkurs des chinesischen Renminbi - was die eigenen Verkäufe verteuere - und ein ausdauernd hohes Defizit in der eigenen Güterhandelsstatistik von 700 Milliarden Dollar allein im vergangenen Jahr. Nachdem sich die Außen- und Militärpolitik Washingtons auf ein »asiatisches Jahrhundert« einzustellen begonnen hat, folgt Barack Obama mit seiner Rede zur Lage der Nation diesem Pfad nun auch in der Wirtschaftspolitik.

In der Vergangenheit scheiterten jedoch alle Versuche zu einer Atlantik-Handelsbrücke. Seit Jahren mühen sich Arbeitsgruppen, bürokratische Hemmnisse zu mildern. Dabei sind weniger die Zollsätze das Problem. Für Industriewaren liegen sie nach Auskunft der Gesellschaft für Außenwirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums bei »um die fünf Prozent«. Im Agrarbereich gebe es aber »erhebliche Abschöpfungen«, hieß es auf »nd«-Anfrage. Die US-Seite ist vor allem an einem verstärkten Export von Weizen und Mais interessiert. Fast jedes Land in der EU subventioniert jedoch seine Bauern, um diese vor ausländischer Konkurrenz abzuschirmen.

Noch schwieriger zu überbrücken dürften die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse sein. So werden in den USA viele gentechnisch manipulierte Pflanzensorten angebaut und Geflügelfleisch mit Chlorwasser gegen Salmonellen abgespritzt. Dagegen folgt die Zulassung medizinischer Geräte oder Arzneimittel schärferen Regeln als in der EU.

Außenwirtschaftsexperten erwarten daher bei Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen jahrelange Auseinandersetzungen über tausende Details. Schon die vergleichsweise überschaubaren Verhandlungen der EU mit Südkorea zogen sich über mehr als vier Jahre hin, bis schließlich 2011 ein Freihandelsabkommen geschlossen wurde.


Zahlen und Fakten

Nach jüngsten Berechnungen der EU-Kommission exportierten die 27 Länder der Europäischen Union im Jahr 2011 Güter im Wert von 260,6 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten. Die Importe aus den USA betrugen 184,2 Milliarden Euro, so dass ein fettes Handelsbilanzplus der Europäer von 76,3 Milliarden zu Buche stand. Die Dienstleistungsbilanz war relativ ausgeglichen (Exporte: 127,1 Mrd.; Importe: 130,5 Mrd.).

Für die EU sind die USA der größte Handelspartner. Aus Sicht der Vereinigten Staaten sind die Europäer bei Exporten die Nummer zwei hinter Kanada und bei Importen die Nummer zwei hinter China.

Die deutschen Ausfuhren in die USA wuchsen 2012 um 13 Prozent auf 74 Milliarden Euro und die Einfuhren um 7 Prozent auf 49 Milliarden Euro. nd

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