Wettbewerb ruiniert Krankenhauslandschaft

Gesundheitsexperte Harald Weinberg (LINKE) fordert die Rekommunalisierung von privaten Krankenhäusern

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Sind wir wirklich alle Krankenhaus, wie es der Slogan der Deutschen Krankenhausgesellschaft suggeriert?
Weinberg: Krankenhäuser sind ein ganz wesentlicher Baustein unserer Gesundheitsversorgung, und die Menschen in den Kommunen identifizieren sich mit ihren jeweiligen Häusern. Die genießen hohes Ansehen und es gibt eine ganz besondere Beziehung zwischen den Patienten und der Klinik.

Brauchen in einer sehr differenzierten Krankenhauslandschaft mit öffentlich-rechtlichen, freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern alle Hilfe?
Ich möchte in erster Linie für die öffentlich-rechtlichen, teilweise auch für die frei-gemeinnützigen und konfessionellen Krankenhäuser sprechen, weniger für die privaten Konzerne. Bei denen laufen in der Tat schmerzhafte Prozesse ab. Ich erinnere mich an die Privatisierung eines Klinikums im Landkreis Schwandorf in der Oberpfalz, die vor Jahren leider nicht verhindert werden konnte, Es gehörten drei Häuser dazu. Versprochen wurde, dass sie alle erhalten bleiben. Eines wird jetzt aber doch geschlossen, nach einer Schamfrist von drei Jahren, wenn man so will.

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Zahlen und Fakten

2045 Krankenhäuser versorgen jährlich 18,3 Millionen Patienten stationär und 18 Millionen ambulant.

Die Krankenhäuser haben 1,1 Millionen Mitarbeiter, sie machen jährlich 83,4 Milliarden Euro Umsatz.

Ein Drittel der Kliniken befindet sich in freigemeinnütziger Trägerschaft, etwas weniger als ein Drittel sind in öffentlicher Hand und mehr als ein Drittel sind privat organisiert.

In den Krankenhäusern gibt es insgesamt über 500 000 Betten, die meisten davon in den öffentlichen und die wenigsten in den privaten.

Die Finanzierung der Krankenhäuser erfolgt dual, das heißt: Investitionskosten übernehmen die Länder, und der medizinische Betrieb wird über Fallpauschalen aus dem Gesundheitsfonds über die Krankenkassen gewährleistet. Die Länder erfüllen ihre Verpflichtungen aber nicht immer.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat für den 24. Oktober 2011 aufgelistet: 408 396 gesetzlich Versicherte wurden im Krankenhaus behandelt. 42 958 Menschen wurden an diesem Tag nach einer vollstationären Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen. Darunter waren 1873 Geburten, 1667 Knie- und Hüftprothesenoperationen, 409 Blinddarmentfernungen, zwölf Nierentransplantationen und drei Lebertransplantationen.

In privaten Kliniken findet eine Spezialisierung auf gewinnorientierte Behandlungszweige statt. Oft werden kleinere Häuser geschlossen. Die jährlichen Renditen liegen zwischen zehn und siebzehn Prozent.

Eine Repräsentativbefragung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) in den deutschen Kliniken ergab, dass 2011 fast jede dritte Klinik rote Zahlen schrieb. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer Steigerung um ein Drittel. In fast 60 Prozent der Kliniken ist das Geschäftsergebnis zudem rückläufig gewesen.

Experten beklagen, dass in Krankenhäusern immer mehr operiert wird. Nicht nur Herz-OPs und der Einsatz künstlicher Gelenke werden mehr, sondern auch Rücken- und Magenoperationen. Die Techniker Krankenkasse (TK) verzeichnete einen Anstieg der Zahl der operativen Rückeneingriffe bei ihren Versicherten zwischen 2006 und 2011 um 25 Prozent. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse zählte in einem ähnlichen Zeitraum 60 Prozent mehr Magenoperationen. Der Trend zur Operation sei deutlich, aber 87 Prozent der Rückeneingriffe unnötig, so Michael Schultz von der TK.

(nd/ott)

 

 

Da Experten ohnehin von zu vielen Krankenhausbetten ausgehen, müssen diese Schmerzen vielleicht sein?
Unter dem Gesichtspunkt der Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen halte ich dieses Vorgehen nicht für zielführend. Private Krankenhäuser rationalisieren ja nicht nur, sondern spezialisieren sich in aller Regel auch. Aber über einen Wettbewerb, das hat sich jetzt gezeigt, kann man keine komplette Versorgungsstruktur in einer Region aufrecht erhalten. Wen die Zahl der Krankenhausbetten im Durchschnitt gesunken ist, dann nur, weil in der Regel die kleineren Landeskrankenhäuser dabei auf der Strecke geblieben sind. So entstehen Versorgungslücken im stationären Bereich, zusätzlich zu denen in der ambulanten Versorgung, die wir in der Uckermark oder der Oberpfalz jetzt schon haben.

Wie könnte man das verhindern?
Wie die Zuständigkeiten im Moment gestrickt sind, liegt die Finanzierung des laufenden Krakenhausbetriebes über die Fallpauschalen bei den Krankenhäusern, Planung und Investitionen aber in den Händen der Länder. Die werden aber ihrem Planungsauftrag nicht mehr in vollem Maße gerecht. Ein Vorschlag geht nun dahin, von dieser Art der dualen Finanzierung wegzukommen. Ich bin allerdings der Auffassung, dass man die Länder in der Pflicht lassen muss, wenn man etwas für kleinere oder mittlere Krankenhäuser tun möchte.

Wenn ich es richtig verstehe, dann will man mehr Geld für alle, auch für die zehn größten Klinik-Konzerne.
Und die erzielten bereits vor Jahren Renditen zwischen 10 und 17 Prozent, fast eine Milliarde Euro. Man müsste meines Erachtens verstärkt darüber nachdenken, private Kliniken zu rekommunalisieren.

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