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Spiel um den »Schwarzen Peter«

Opfer sexuellen Missbrauchs sind von der Ränkespielen der Politiker enttäuscht

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Drei Jahre nach dem Bekanntwerden vieler Fälle von Kindesmissbrauch an Schulen und Heimen haben Bund und Länder die längst beschlossenen Hilfen für Opfer noch immer nicht auf den Weg gebracht. Nach einer erneuten Sitzung des Runden Tischs gestern in Berlin sehen Betroffenenverbände schwarz, dass dies bald geschieht.

Mit 36 491 gibt der Verein für Betroffene und deren Partner sowie für die Gegner von sexuellem Kindesmiss »gegen-missbrauch.de« die Zahl aller Fälle für dieses Jahr an - weit mehr als die polizeiliche Statistik, die für 2011 etwas über 12 400 Fälle zählte, wohl wissend, dass die Dunkelziffer gerade hier sehr hoch ist. Vereinsmitbegründer Ingo Fock war ebenfalls gestern in Berlin dabei, als der Runde Tisch Bilanz zog und machte sich enttäuscht auf den Weg nach Göttingen zurück. »Die haben da Schwarzer Peter gespielt«, berichtet er dem nd von den drei Gesprächsstunden, »und sich gegenseitig die Schuld zugeschoben«.

Zehntausendfach werden jedes Jahr Kinder und Jugendliche Opfer sexuellen Missbrauchs. Vor drei Jahren schockierten zahlreiche Fälle die Öffentlichkeit. Sie hatten sich an der Odenwaldschule in Hessen und dem Canisius-Kolleg der Jesuiten in Berlin ereignet, aber auch an anderen Einrichtungen, in denen Kinder oder Jugendliche zusammen kommen, selbst in Krankenhäusern oder Einrichtungen für Behinderte. Eineinhalb Jahre tagte der Runde Tisch von Bund, Ländern und gesellschaftlichen Organisationen. Ende 2011 legte er Empfehlungen vor. Umgesetzt sind sie bis heute nicht.

Der Sprecher der Betroffenen-Initiative »Eckiger Tisch«, Matthias Katsch, kritisiert: »Bis heute gibt es keinen flächendeckenden Zugang zu Traumatherapien für Betroffene und ihre Familien, die durch das Gift der sexuellen Gewalt und des Missbrauchs zerfressen wurden«. Beratungsstellen und Selbsthilfe-Einrichtungen seien immer noch unterfinanziert.

Der beschlossene Hilfsfonds sollte 100 Millionen Euro enthalten, je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Bislang haben nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ihre Bereitschaft erklärt, einzuzahlen. »Der Bund lässt nicht locker bei den Verhandlungen mit Ländern und Kommunen«, versicherte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Sie bekräftigte aber auch die Bereitschaft der Bundesregierung, den Fonds notfalls nur mit den 50 Millionen Euro des Bundes einzurichten.

Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, begrüßte Schröders Zusicherung. Die Betroffenen erwarteten zu Recht eine Lösung und kein Gerangel zwischen Bund und Ländern.

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