Gegen die Mafia spielen

Einst in den Händen der Camorra, kämpft der italienische Fußballklub Nuova Quarto Calcio per la Legalità nun gegen die Clans aus Kampanien

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit seiner Neuformierung ist der italienische Fußballverein Nuova Quarto Calcio per la Legalità einzigartig. Fußball für die Legalität, der Name ist Programm - im Kampf gegen die Camorra. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte der Klub noch der Mafiaorganisation der Region Kampanien.

Quarto ist eine Kleinstadt vor den Toren von Neapel und einer der Orte, in dem die Camorra, die Mafia der Region Kampanien, besonders aktiv ist. Die kriminellen Clans beherrschen fast jeden Bereich des öffentlichen Lebens. Und in so einer fußballverrückten Gegend ist ein Klub natürlich auch ein wichtiges Instrument, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen.

2011 aber wurde der Verein, der damals noch Quarto Flegreo hieß, im Rahmen einer Anti-Camorra-Operation beschlagnahmt, weil der Clan von Quarto das gesamte Vereinsleben und auch über Trainer und Spieler bestimmte. Nun haben Staatsanwälte natürlich nicht allzu oft mit Fußballvereinen zu tun, und das Einfachste wäre gewesen, ihn aufzulösen. Doch man versuchte etwas anderes und übergab den Klub verschiedenen Organisationen, die gegen die Camorra kämpfen. Und so entstand der Nuova Quarto Calcio per la Legalità. Die Anti-Camorra-Organisationen wurden zu Sponsoren.

Am Anfang war die Begeisterung groß und im September 2012 trat der neue Verein zum ersten Mal an. Damals, das scheint jetzt eine Ewigkeit her, kamen über 1000 Zuschauer - und mit ihnen Vertreter vieler staatlicher Institutionen. Cesare Prandelli, Italiens Nationaltrainer, erklärte damals sogar, er werde mit den »Azzurri« ein Trainingsspiel gegen Quarto absolvieren.

Heute ist dieser Enthusiasmus einer gewissen Ernüchterung gewichen. Zwar läuft sportlich alles gut, Quarto ist derzeit Tabellenführer in der Promozione Campania, der siebenten Spielklasse Italiens. Aber nach einem anfänglichen Schockzustand reagiert die Camorra jetzt. In den vergangenen Monaten gab es unzählige Episoden, die man anderswo als Dumme-Jungen-Streiche bezeichnen könnte, in dieser Gegend aber eindeutig als mafiöse Warnungen erkennt. Erst wurde ein Fußballtor im kommunalen Stadion Giarrusso angezündet, in dem Quarto spielt. Dann wurden nachts die Stuhlreihen herausgerissen und schließlich wurde auch im Vereinslokal eingebrochen, wo man gerade die Auszeichnungen, Pokale und Medaillen klaute, die in irgendeinem Bezug zum neuen Anti-Camorra-Engagement stehen.

Anfang des Monats dann der bisherige Tiefpunkt. Die Verantwortlichen des Klubs hatten zu einem Heimspiel geladen und die Bevölkerung gebeten, mit ihrem Stadionbesuch gegen die letzten Vorfälle zu protestieren und dem Verein so ihre Solidarität zu beweisen. Es kamen genau 25 Leute! Von den Institutionen (Polizei, Verwaltung, Staatsanwaltschaft) ließ sich niemand blicken. Und schließlich noch ein Schlag ins Gesicht: Es gibt das Gerücht, dass mindestens fünf Klubs der Gegend sich aus Sicherheitsgründen weigern, gegen den »Bullen-Verein« zu spielen. Der regionale Fußballbund wollte das »nicht bestätigen«, die Staatsanwaltschaft kündigte zumindest eine härtere Gangart gegen die Vereine an, die eventuell auch von der Camorra beherrscht werden.

Aufgeben will man deshalb nicht: Nuova Quarto Calcio per la Legalità ist inzwischen mehr als ein Fußballklub - ein Symbol für den Kampf gegen die Mafia.

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