Der Lotse bleibt weg

Flughafenexperte Wilhelm Bender will nun doch nicht Chefberater in Schönefeld werden

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Schönefeld (dpa/nd). Die Pannenserie am Hauptstadtflughafen BER reißt nicht ab. Hoffnungsträger Wilhelm Bender gibt den Verantwortlichen einen Korb und ist augenscheinlich stocksauer. Der frühere Chef des Frankfurter Flughafens will nach Querelen um seinen Vertrag doch nicht Chefberater in Schönefeld werden. Er sehe »keine ausreichende Gewähr dafür, dass seine Tätigkeit für den BER erfolgreich sein kann«, teilte sein Büro in Frankfurt am Main am Montag mit. In der Erklärung ging der 68-Jährige hart ins Gericht mit den Flughafengesellschaftern Berlin, Brandenburg und dem Bund: Vertraulichkeit sei mehrfach gebrochen, Verabredungen seien nicht eingehalten worden.

Bender war in den vergangenen Wochen als Hoffnungsträger für das einstige Vorzeigeprojekt gehandelt worden. Flughafenchef wollte er zwar nicht werden, wohl aber als Berater zwei Tage pro Woche dem Technikchef Horst Amann zur Seite stehen. In den vergangenen Tagen war unter den Gesellschaftern aber Streit über das Honorar ausgebrochen, Benders Vorstellung wurde kurzfristig abgesagt. Es sickerte durch, dass Bender einen Tagessatz von rund 4000 Euro inklusive Spesen und Reisekosten ausgehandelt hatte.

»Ich muss diese Entscheidung akzeptieren«, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zu dem Rückzug. Bender hob in seiner Erklärung zwar sein gutes Verhältnis zu Platzeck hervor. Als neuen Aufsichtsratschef lässt er den SPD-Politiker nun aber mit leeren Händen dastehen.

Der Aufsichtsrat hatte Flughafenchef Rainer Schwarz im Januar rausgeworfen, nachdem die Eröffnung des Flughafens zum vierten Mal abgesagt werden musste. Noch immer besteht kein Überblick über das Ausmaß der Technikprobleme, der Planungsfehler und der Baumängel auf der Baustelle in Schönefeld.

»Nichts geht mehr am Flughafen BER«, kommentierte Ramona Pop, Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Streit zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Ministerpräsident Platzeck lähme den Flughafen. »Jetzt hat Bender schon genug, bevor er überhaupt angefangen hat.«

Der Abgeordnete Martin Delius (Piraten) sagte: »Dass Herr Bender nicht für das inzwischen völlig unglaubwürdige Projekt BER zu Verfügung steht, ist nachvollziehbar. Der Trick, Herrn Bender als Pseudo-Flughafenchef zu installieren, ist an der instabilen Flughafengesellschaft und dem Gerangel um politische Richtungsfragen vor der anstehenden Bundestagswahl gescheitert.« Es sei verständlich, dass ein Mensch keine Lust habe, »einen verantwortungsvollen Job zu übernehmen, wenn über seine Eignung schon Wochen zuvor in der bundesweiten Boulevardpresse diskutiert wird«. Wenn sich kein bekanntes Gesicht finde, das Flughafenchefs werden wolle, wäre es angebracht, den Technikchef Horst Amman mit jungen Talenten zu entlasten, die gern Verantwortung übernehmen, meinte Delius.

Manager Bender begründete seine Absage auch damit, dass in den vergangenen Tagen deutlich geworden sei, dass die Gesellschafter in wesentlichen Zukunftsfragen des Flughafens unterschiedliche Auffassungen hätten. Ins Detail ging Bender nicht.

Gemeint sein könnte Brandenburgs Kurswechsel beim Nachtflugverbot. Bislang sollten Starts und Landungen nur von 0 bis 5 Uhr unterbleiben, Regierungsflüge, Polizeieinsätze und Hilfslieferungen ausgenommen. Platzecks rot-rote Koalition setzt sich nun unter dem Druck eines Volksbegehrens für mehr Nachtruhe ein. Die SPD-Fraktionen Berlins und Brandenburgs wollten am Montagnachmittag im Berliner Abgeordnetenhaus darüber beraten. Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat bisher kein Verständnis für die Kehrtwende seiner brandenburgischen SPD-Kollegen in Sachen eines strengeren Nachtflugverbots. »Ich bin gespannt, welche neuen Argumente sie uns liefern«, sagte Saleh am Montag vor dem Treffen mit der SPD-Landtagsfraktion. »Bislang sehe ich jedoch keine Argumente, die uns bewegen könnten, von unserer Position abzurücken.« Saleh kritisierte: »Der Vorstoß aus Brandenburg ist wenig hilfreich und kontraproduktiv.«

Der Landtag hatte am vergangenen Mittwoch ein Volksbegehren für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr angenommen. Das Volksbegehren war das erste erfolgreiche in der Geschichte des Bundeslandes. Saleh sagte, Berlin kenne die schwierige Situation, wenn die Bevölkerung in einer emotional aufgeladenen Frage gespalten sei und darüber in einem Volksbegehren abstimme. Berlin habe das mit den Volksbegehren zum Religionsunterricht und zur Schließung des Flughafens Tempelhof erlebt. »Die Argumentation, es drohe ein Volksbegehren, ist für mich kein Argument. Auch wenn es schwierig ist, muss man zu seiner Position stehen und dafür werben. Wenn rauer Gegenwind kommt, muss man das aushalten«, sagte SPD-Fraktionschef Saleh.

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