Beraten und verkauft - Anleger und Sparer suchen Rat

Honorar oder Provision? (Teil 1)

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Beratungsqualität von Versicherungsvertretern lässt zu wünschen übrig. Zu diesem nicht neuen Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Service-Qualität.

Insgesamt 150 Versicherungsvertreter von 15 verschiedenen Versicherern in 19 Städten wurden zum Problem Beratungsqualität getestet. Dieser Aufgabe hatte sich zwischen Oktober und Dezember letzten Jahres das Deutsche Institut für Service-Qualität im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv angenommen.

Die verdeckten Tests zeigten Schwächen bei der Lösungskompetenz und machten deutlich, dass viele Vermittler unsicher wirkten. Unklar blieb oft, welche Gebühren und Provisionen anfallen und wer sie kassiert.

Insgesamt, auch das sei erwähnt, erhielt die überwiegende Mehrheit der Berater eine insgesamt positive Bewertung. Das Institut sieht jedoch grundsätzlichen Optimierungsbedarf. Nicht jeder Verbraucher will auf eine weitere Reform der Finanzvermittlung warten. Aber woran soll man sich orientieren und wie findet man den »richtigen« Berater für sein Geldthema?

Statt Rat an Sparer kassiert der Verkäufer ab

Statt wohlgemeinter Ratschläge gilt oft die Ethik des »Beraten und verkauft«! Von den Beiträgen, die ein Sparer in eine private Rentenversicherung einzahlt, kassiert der Verkäufer schon mal vier bis sieben Prozent. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren und monatlichen Raten von 150 Euro ergibt sich so ein Betrag zwischen 1400 und 2500 Euro als Verkaufsprovision.

Noch lukrativer sind etwa geschlossene Fonds. Hier sind allein für den Produktkauf schnell mehrere Tausend Euro fällig, die der Anleger berappt. Tausende von Euro kassiert ein Vertreter auch für den Abschluss nur eines einzigen Kapitallebensversicherungsvertrages, der über 20 oder 30 Jahre läuft.

Verschlungene Wege und Reklamefiguren

Mehr oder weniger versteckt sind Provisionen - und dazu weitere Gebühren, Verwaltungskosten und Erfolgsprämien - in dem »Preis« enthalten, den Verbraucher an Versicherer, Banken oder Finanzvertriebe als Prämien, Raten oder Einmalzahlung überweisen. Die oft verschlungenen Umwege, die Finanzierungs- und Anlageprofis beschreiten, um ihre Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen, aber auch das geringe Interesse vieler Sparer und Häuslebauer sowie einprägsame Reklamefiguren wie »der nette Herr Kaiser« der Hamburg-Mannheimer Versicherung (heute Ergo) haben dazu entschieden beigetragen, dass wir ausgerechnet beim Thema »Geld« unser alltägliches Leben oft besonders naiv angehen.

Beim Kauf einer Wohnzimmereinrichtung im Möbelhaus oder eines Pkw beim Autohändler wird vom Verbraucher wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Verkäufer hauptsächlich den Abschluss eines Kaufvertrages im Kopf hat, um eine üppige Provision zu kassieren und er daher nur im eigenen Interesse handelt. Auch kauft man nicht gleich beim erstbesten Händler, sondern vergleicht Preise und Leistungen mehrerer Angebote. »Bei der Bank-›Beratung‹ billigt man den Vertriebsvertretern dagegen primär altruistische Motive zu«, beklagt Johannes Tiefensee in einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung die weit verbreitete Naivität der Konsumenten.

Schlechte Beratung kostet Milliarden

Doch die Realität auf Deutschlands Finanzmärkten ist knallhart, in Euro und Cent. Mehrere hunderttausend Vermittler, die von Provisionen leben, kämpfen um eine durch den demografischen Wandel eher schrumpfende und in jedem Fall älter werdende Kundschaft.

Allein im Versicherungsvermittler-Register der Industrie- und Handelskammern waren zu Neujahr 253 401 Personen eingetragen, darunter viele Feierabend- und Nebenberufler. Hinzu kommen schätzungsweise 80 000 selbstständige »graue« Finanzvermittler und Abertausende von Angestellten von Banken und anderen Finanzdienstleistern, deren Einkommen ebenfalls entscheidend an ihrem Verkaufsgeschick hängt. Bis zur Hälfte des Jahreseinkommens kann selbst bei Bankangestellten vom Umsatz mit Baufinanzierungen, Lebenspolicen oder Altersvorsorgeprodukten abhängen.

Die übergroße Zahl der Vermittler auf einem über weite Strecken abgegrasten, aber gierigen Markt macht selbst dem bravsten Verkäufer das Leben schwer. Dazu kommen rigide Vorgaben »von oben« aus den Vorstandsetagen der Unternehmen, beklagt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: »Verkaufsvorgaben und die provisionsbasierte Vergütung verursachen massiven psychischen Druck bei den Beschäftigten.« Diese »existenzielle Abhängigkeit« von Provisionszahlungen, so eine Sprecherin in Berlin, führe auch zu einem erhöhten Druck, bestimmte Produkte zu vermitteln. Und die sind häufig nicht zum Besten des Kunden: Die Deutschen verlieren durch schlechte und falsche Anlageberatung jedes Jahr einen hohen Milliardenbetrag. Zu diesem Schluss kam kürzlich erneut eine Studie, die dieses Mal im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstellt worden war.

Ist die provisionsorientierte Beratung out?

Als Wundermittel gegen Provisionsgier und ahnungsloser Falschberatung gilt vielen Experten seit Langem die Beratung gegen Honorar. Doch obwohl die Kritik am Provisionssystem bereits seit den frühen 1990er Jahren in Fachkreisen und Medien tobt, konnte sich die Honorarberatung nicht wirklich durchsetzen. Alles in allem stehen mehr als einer halben Millionen provisionsorientierten Vermittlern nach wie vor nur einige hundert Berater gegenüber, die ausschließlich gegen Honorar arbeiten.

Dazu schafften einige meist »grüne« Banken wie Ethikbank, GLS Bank oder die Quirin Bank die provisionsorientierte Beratung ab oder beraten gegen Honorar. Auch einige andere Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken beraten inzwischen auf Wunsch gegen Honorar - allerdings kommt dafür meist nur die Premiumkundschaft in Frage.

Hermannus Pfeiffer
Teil 2 im nd-ratgeber vom 13. März 2013

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