nd-aktuell.de / 13.03.2013 / Kultur / Seite 44

Die Systemfrage ist offen

Die Kolumnen der Christa Luft

Klaus Müller

Nicht nur als Wirtschaftskolumnistin ist sie den Lesern des »neuen deutschland« vertraut: Christa Luft, einst Rektorin der Hochschule für Ökonomie »Bruno Leuschner« in Berlin, war 1989/90 Wirtschaftsministerin in der Modrow-Regierung. Eine Auswahl ihrer »nd«-Beiträge liegt nun als Buch vor. Pointiert und verständlich erklärt Christa Luft Krisen und Herausforderungen heute: die Ungleichgewichte der Staatshaushalte, die internationale Schuldenkrise, das Euro-Debakel, die Dominanz der Finanzmärkte, Probleme des Arbeitsmarktes und der Energiewende ...

Die weltweite Wirtschaftsleistung ist in 30 Jahren auf 250 Prozent gestiegen. Dennoch lebt jeder dritte Mensch in absoluter Armut. Diese traurige Tatsache widerlegt jene, die glauben, wirtschaftliches Wachstum sei die Rettung, beseitige Mangel, Not und Krankheiten. Die Preise für Rohstoffe und Nahrungsmittel steigen. »Für zweistellige Renditeziele der Spekulanten hungern weltweit über eine Milliarde Menschen.« Christa Luft räumt auf mit dem Klischee zu hoher Löhne und Steuern in den westlichen Metropolen, »fauler Griechen« oder eines überbordenden Sozialstaates und gefährlichen demografischen Wandels. Sie zeigt, dass es einen Verteilungsspielraum gibt.

Sie entlarvt das System maßloser Profitgier und grenzenlosen Betrugs. Scharfsinnig pathologisiert sie eine (Un)ordnung, die nicht klarkommt mit den selbst erzeugten Problemen. Sie weiß natürlich, dass der Kapitalismus keineswegs am Ende ist. »Er wird neue wissenschaftlich-technische Potenziale mobilisieren und aus Schwellen- und Entwicklungsländern weiter Profite pressen.«

Die tiefgründig denkende Marxistin begnügt sich nicht damit, Erscheinungen zu beschreiben. Die Realistin gibt wichtige Anstöße für Verbesserungen hier und jetzt. Sie weiß, jeder soziale Fortschritt muss mühsam erkämpft werden - gegen den Widerstand des Kapitals. Eine »generelle Verstaatlichung des Eigentums an Produktionsmitteln wie im Realsozialismus gehört weder heute noch später zu den Zielen. Wohl aber der Ausbau der Daseinsvorsorge, ein effizienter Umgang mit öffentlichem Vermögen, die Begrenzung von Marktmacht, die Stärkung der Wirtschaftsdemokratie, die Rekommunalisierung der Versorgungseinrichtungen, die optimale Gestaltung der regionalen Ökonomie ..., die Förderung von Selbständigen und des Mittelstandes, die Regulierung der Finanzmärkte,«

Diese Kolumnen sind eine Fundgrube an Argumenten und prägnanten Urteilen zu Fragen unserer Zeit. Christa Luft leistet Aufklärung ganz im Sinne von Immanuel Kant. Sie will den Menschen helfen, aus selbstverschuldeter Unmündigkeit herauszufinden. Denn: »Der sich siegreich gebende Kapitalismus bietet keine zukunftsfähigen Lösungen für existenzielle Probleme breiter Bevölkerungsschichten. Die Systemfrage ist offen.«

Dem Verlag ist zudem zu danken, dass er auch die »nd«- Kolumnen des Ökonomen Harry Nick geschlossen veröffentlichte.

Christa Luft: Wirtschaftliche Hintergründe. Fakten und Legenden. GNN. 206 S., br., 12 €.