Hollande macht es niemandem recht

Kritik an Frankreichs Linksregierung kommt selbst aus der PS

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei einem zweitägigen Besuch Anfang der Woche in Dijon, wie es ihn künftig jeden Monat in einer anderen Provinzstadt geben soll, hat jetzt Frankreichs Präsident François Hollande Bürgernähe gesucht.

Jetzt der Dijon-Besuch, in der nächsten Woche voraussichtlich eine Fernsehansprache an alle Franzosen - diese Bemühungen, die anstehenden Probleme Frankreichs und die Politik zu ihrer Überwindung zu erläutern, sind dringend nötig. Hollande, der nach der deutlichen Abwahl Nicolas Sarkozys im Frühjahr 2012 mit Popularitätswerten von fast 60 Prozent antrat, ist inzwischen auf 37 Prozent abgestürzt. Die mehrheitliche Zustimmung für sein entschlossenes Eingreifen Anfang Januar in Mali hielt diesen Abstieg nur für kurze Zeit auf. Kritik am Präsidenten, seiner Regierung und der gegenwärtigen Politik kommt nicht nur von der rechten Opposition, sondern auch von den Parteien und Organisationen links von der PS, ja selbst aus der Sozialistischen Partei. Angesichts der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten wachsen die Zweifel, ob Hollande imstande sein wird, das Land wieder zu wirtschaftlichem Aufschwung zu führen.

Zu einem seiner Hauptanliegen hatte der Präsident die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erklärt, doch die steigt seit nunmehr 21 Monaten stetig weiter und trifft inzwischen 5,3 Millionen Franzosen. Schuld ist die anhaltende Krise. Statt des von der Linksregierung zunächst für 2013 angekündigten Wirtschaftswachstums von 0,8 Prozent und der 0,3 Prozent, auf denen später der Haushalt aufbaute, werden es nun bestenfalls 0,1 Prozent. Wegen der entsprechend geringeren Staatseinnahmen kommen auf die Franzosen weitere Kürzungen der Ausgaben in allen Bereichen zu. Trotzdem dürfte Paris das Ziel von nur drei Prozent Neuverschuldung im laufenden Jahr nicht erreichen.

Die strikte Restriktionspolitik verschlechtert nicht nur die Lebenslage der ärmsten Franzosen, sie bremst auch den Konsum der Mittelschicht. Durch die fehlende Nachfrage lässt der wirtschaftliche Aufschwung noch länger auf sich warten. In diesem Zusammenhang sind viele Franzosen besonders enttäuscht, dass Hollande sein Versprechen, den Fiskalpakt nicht ohne EU-Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftsaufschwungs zu unterschreiben, nicht gehalten hat. Andererseits wurden in den vergangenen Monaten reihenweise neue Steuern eingeführt oder bestehende erhöht. Den Massenentlassungen, der Schließung von Unternehmen oder ihrer Verlegung ins Billiglohnausland hat die Linksregierung nichts entgegenzusetzen; doch wenn die betroffenen Arbeiter ihrer Empörung Luft machen, lässt der sozialistische Innenminister Manuel Valls die Polizei aufmarschieren und prügeln. »Ich bereue fast schon, dass ich im vergangenen Jahr Hollande gewählt habe«, erklärte dieser Tage der Vorsitzende der CGT-Gewerkschaft, Bernard Thibault.

Die Kommunisten sind nur froh, dass sie sich gegen eine Regierungsbeteiligung entschieden haben, denn sonst müssten sie jetzt als fast einflussloser Juniorpartner diese Politik mittragen. Innerhalb der SP begehrt vor allem der linke Flügel auf und prangert die »fortschreitende Sozialdemokratisierung« an der Spitze von Staat und Regierung an. Bei Versammlungen an der Basis schallt den Abgeordneten und Funktionären immer öfter die Forderung entgegen, sie sollten endlich »nach links zurückkehren«.

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