Die Eisbären-Fans lassen nicht locker

Dem sportlich wie finanziell kriselnden Eishockeymeister aus Berlin droht Unheil

Die sportliche Krise des sechsfachen deutschen Eishockeymeisters EHC Eisbären Berlin hält an, und die Proteste der einheimischen Fans gegen die drastischen Erhöhungen der Eintrittspreise ab der kommenden Saison nehmen neue Dimensionen an.

Sportlich boten die Eisbären Berlin am Montagabend im dritten Playoffspiel erneut einen desas-trösen Auftritt. Der Rekordmeister scheiterte mit 4:8 an den Hamburg Freezers, die damit in der »Best of seven«-Viertelfinalserie vor dem vierten Match gestern Abend in Hamburg (nach Redaktionsschluss) nach Siegen mit 2:1 führten. So droht dem Titelverteidiger schon am Donnerstag im Heimspiel das Meisterschaftsaus.

Auf die Unterstützung der Fans kann er dabei nicht hoffen, denn die Anhänger der Eisbären verschärfen ihren seit einer Woche andauernden Protest. Richtete er sich zunächst gegen die 50-prozentige Erhöhung der Preise für Dauerkartennutzer, die sich als »unerwünscht« fühlen, so mobilisiert der Fanbeirat nun die Fans gegen den Preisanstieg bei Tagestickets um bis zu 30 Prozent.

Beim ersten Playoffspiel hatten 3000 Fans ihr Kurve mit dem Anpfiff demonstrativ verlassen, am Montagabend kamen sie allesamt in Schwarz, ohne Fahnen, keiner im Eisbärentrikot. Und alles blieb still. Nur während der drei Power breaks, jenen Spielunterbrechungen für Werbeeinblendungen des übertragenden TV-Senders zur Drittelmitte, stimmten sie lautstark deftige Lieder an: »Eure Kartenpreise sind absolute Scheiße, ihr wollt nur noch Kohle - nicht mit uns!« Dann rollten sie meterlange Transparente aus: »Heute bleiben wir leise, denn nun geht›s auch um Tagespreise‹« oder »Jetzt geht›s den Tagespreisen an den Kragen - will man uns alle hier verjagen?‹« Bemerkenswert: Auf diesen neu artikulierten Protest reagierten viele der 13 000 in der Halle mit stehendem Applaus.

Für heute haben das Management der Eisbären und die Anschutz Entertainment Group (AEG) ein neues Preiskonzept angekündigt. Die erste Offerte war zuvor vom Fanbeirat abgelehnt worden. Es steht zu befürchten, dass man auch dieses Mal meilenweit von einer für die Fans akzeptablen Lösung entfernt bleiben wird. »Eishockey muss bezahlbar bleiben«, lautet deren Forderung. Der Fanbeirat, der die Anhänger geschlossen hinter sich weiß, droht unmissverständlich: »Es wird Protestaktionen geben, wie sie der Verein noch nie erlebt hat.«

Ausgangspunkt des von der Geschäftsführung fahrlässig unterschätzten Desasters ist die AEG, jener verlängerte Arm des US-amerikanischen Multimilliardärs Philip F. Anschutz (73). In Personalunion ist dieser zu 100 Prozent Eigner des EHC Eisbären Berlin und Besitzer der Arena am Ostbahnhof, die er für 160 Millionen hatte bauen lassen. Auf Drängen von Anschutz soll die AEG nun einen schrittweisen Schuldenabbau der Eisbären durchsetzen. Gegenwärtig liegt die Last bei 42 Millionen Euro, angehäuft vor allem ausgerechnet aus Rückständen der an die AEG zu zahlenden Hallenmiete von bis zu 80 000 Euro pro Spiel! Zwar unterstützt AEG den Verein jährlich mit zwei Millionen Euro, kassiert aber neben der Hallenmiete weitere Millionen aus dem Besucherverzehr von Currywurst und Bier. Davon bleibt dem Verein kein Cent.

»Die Bilanz der Eisbären muss in den nächsten zwei Jahren ausgeglichen sein«, sagt Noch-AEG-Geschäftsführer Tim Leiweke. »Das geht nur über eine Optimierung der Kostenstruktur, vor allem der Einnahmebasis.« So sitzen die Eisbären, die Anschutz einst mit einer Mehr-Millionen-Anschubfinanzierung gerettet hat, in der Falle. Anschutz will seine Investitionen nun endlich wieder einspielen.

Das Szenario kann sogar noch schlimmer kommen: Der ehemalige »Retter« wollte schon vor geraumer Zeit das Unterhaltungssegment AEG aus seinem Firmenimperium verkaufen, fand aber für die kolportierte Verkaufssumme von acht Milliarden US-Dollar keinen Käufer. Jetzt droht die Abwicklung der Sportsparte, die den Anschutz-Erben seit jeher ein Dorn im Auge ist. Der erste Schritt: keine weitere Anschutz-Finanzierung. Zerbrechen die Eisbären an ihrer Finanz- und Fankrise?

Beim Viertelfinalgegner Hamburg Freezers, die zu 70 Prozent ebenfalls Anschutz gehören, hält man sich bedeckt. Auf die Frage nach dortigen Schulden reagiert die Geschäftsführung mit Achselzucken, und beim Stichwort Eintrittspreise wird lapidar erwähnt, dass man sie schon vor einer Saison moderat erhöht habe - ohne Ärger mit den eigenen Fans.

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