Ketzers Kutte soll es richten

Ab 2014 sollte in Konstanz das Konzil-Jubiläum bombastisch begangen werden - doch die Stadt hat sich offenbar übernommen

  • Holger Reile, Konstanz
  • Lesedauer: 4 Min.
Von 1414 bis 1418 fand in Konstanz der größte Kongress des Mittelalters statt, das 16. ökomenische Konzil zur Wahl eines Papstes. Die Stadt am Bodensee will das Jubiläum bombastisch feiern, doch erhoffte Fördergelder sind immer noch nicht in Sicht. Und das anvisierte Programm löst sich Stück für Stück in Luft auf.

Ab Frühjahr 2014 will die Stadt Konstanz (Baden-Württemberg) feierlich an das nach ihr benannte Konzil (1414-1418) erinnern. Vor sechshundert Jahren wurde Konstanz als Ort auserkoren, von dem aus vor allem kirchliche Verhältnisse neu geordnet werden sollten. Denn zu jener Zeit gab es drei Päpste und dieses schon seit Jahrzehnten bestehende »Schisma« sollte beendet werden. Auch der Kampf gegen die Ketzerei stand auf der Tagesordnung, dazu die Absicht, die Kirche »an Haupt und Gliedern« zu reformieren. So wurde die reiche Handelsstadt am Bodensee für rund vier Jahre zum Zentrum Europas.

Zu Spitzenzeiten drängelten sich damals neben den 7000 Einwohnern zusätzlich bis zu 10 000 Gäste aus aller Welt zwischen den Stadtmauern. Nicht zu vergessen die etwa 1200 »Hübschlerinnen«, die herangekarrt wurden, um den hohen Herren den Aufenthalt am Bodensee nachhaltig zu versüßen. Am 11. November 1417 wurde der italienische Kardinal Oddone Colonna zum alleinigen Papst gewählt und firmierte fortan unter dem Namen Martin V.

Jahre vorher schon hatte der Kampf gegen die angebliche Ketzerei einen traurigen Höhepunkt erreicht: Im November 1414 traf der böhmische Reformator Jan Hus in Konstanz ein. Ein für ihn gewagtes Unterfangen, aber da ihm König Sigismund freies Geleit zugesichert hatte, machte sich Hus auf den Weg. Für die Kirche galt er als gefährlicher Ketzer, denn er warf dem Klerus Korruption, lasterhaftes Leben und Prunksucht vor. Hus glaubte dennoch, auch in Konstanz seine Thesen vertreten zu können. Er wurde allerdings bald verhaftet und eingekerkert. Nach einem siebenmonatigen Prozess führte man ihn am 6. Juli 1415 auf den Scheiterhaufen. Dieses Schicksal erlitt ein knappes Jahr später auch sein Mitstreiter Hieronymus von Prag. Bis heute hat es die katholische Kirche unterlassen, die beiden Mordopfer zu rehabilitieren.

Nun also, rund 600 Jahre später, will die Stadt Konstanz an das größte Ereignis ihrer Geschichte erinnern. Schon der frühere grüne Oberbürgermeister Horst Frank jubilierte Ende 2010: »Mit dem Konziljubiläum wird Konstanz wieder auf der europäischen Landkarte erscheinen.« Sein Nachfolger Uli Burchardt (CDU) stößt in das gleiche Horn und spricht von einer »einmaligen Chance für die Stadt«.

Mindestens sechs Millionen Euro für die Finanzierung des Jubiläums sollen aus dem Stadtsäckel kommen. Nahezu vier Jahre am Stück möchte man feiern, die Finanzen schienen zumindest anfangs kein Thema zu sein. Von privaten Sponsoren hat man geträumt und auch davon, dass EU- Gelder üppig sprudeln würden. »Leitprojekte« wurden ersonnen und fast hatte man den Eindruck, Konstanz würde spätestens ab April 2014 zum Nabel der Welt. Und als Krönung für die Jubiläumssause lud man auch gleich noch Papst Ratzinger ein. Da jener kürzlich in den Ruhestand getreten ist, hofft man derzeit auf den Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck.

Doch allmählich macht sich Ernüchterung breit. Erhoffte Fördergelder sind immer noch nicht in Sicht und das ausgedachte Programm löst sich Stück für Stück in Luft auf. Zuerst ging es einem Projekt an den Kragen, für das man bis zu 400 000 Euro einkalkuliert hatte: Ein mittelalterliches Frachtschiff sollte im Konstanzer Hafen während der Feierlichkeiten nachgebaut werden. Das, so die Organisatoren, würde Fachpublikum aus ganz Europa an den Bodensee locken. Auf Initiative der Linken Liste Konstanz und der SPD wurde das Vorhaben verworfen. Ebenso erging es dem Leitprojekt »Erlebbares Mittelalter«, bestehend aus mobiler Garküche und einem mittelalterlichen Handwerkermarkt. Andere Projekte stehen ebenfalls auf der Kippe.

Eröffnet werden soll das Konziljubiläum im April 2014 mit einer großen Landesausstellung zum Thema. Man hofft auf mindestens 100 000 Besucher. Die Kuratorin präsentierte unlängst ein Stückchen Stoff, dem sie eine sensationelle Herkunft zuschreibt und das in Scharen reliquienhörige Besucher nach Konstanz locken soll. Angeblich handelt es sich um einen Rest der Mönchskutte des Jan Hus. Ganz sicher sei das zwar nicht, aber behaupten kann man es ja mal. Anderntags titelte die linke Internetpublikation SeeMoZ spöttisch: »Altkleidersammlung beim Konziljubiläum«.

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