Schnee ist lukrativer als Gold

In seinem neuen Buch beschreibt Roberto Saviano den internationalen Kokainhandel und dessen Folgen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
»Zero Zero Zero« heißt das neue Buch des Mafiagegners Roberto Saviano. Darin zeichnet der italienische Autor die Wege der Droge nach.

Kein an der Börse notierter Titel erlangt solche Profite, wie der Handel mit Kokain. Keine andere waghalsige Spekulation rentiert sich in so kurzer Zeit und wirft einen solchen Geldfluss ab. Ein Geldfluss, der das Geschehen ganzer Kontinente beeinflussen kann. Dies beschreibt Roberto Saviano in seinem neuen Buch »Zero Zero Zero« (Null Null Null), das gestern in Italien vorgestellt wurde. Auf Deutsch wird das Buch wahrscheinlich im ersten Quartal 2014 erscheinen.

Wirtschaft funktioniert nach den Gesetzen des Marktes: Angebot und Nachfrage bestimmen die Warenproduktion und den Handel. Egal, was man herstellt, Autos, Fernseher, Mobiltelefone, Lebensmittel - jemand muss das Produkt erwerben wollen, und für die Herstellung müssen Ressourcen bereitgestellt werden. In der Welt von heute hat aber dieser Mechanismus seine Grenzen erreicht, Ressourcen schwinden und die Nachfrage nach Gütern lässt nach - vielerorts ist Rezession zu beobachten.

Dies gilt nicht für den Drogenmarkt. Erhebliche Preisspannen garantieren maximale Gewinne.

In langjähriger Kleinarbeit hat Saviano den Weg des Kokains verfolgt, den Weg des Geldes recherchiert: Wird ein Kilo Kokain in Kolumbien für 1500 Dollar (1170 Euro) verkauft, kostet es in Mexiko bereits zwischen 12 000 und 16 000 Dollar, in den USA 27 000, in den Niederlanden 47 000 und in Italien 56 000 Dollar. Gewinne, die mit keiner anderen Ware erzielt werden können.

Sieben Jahre nach dem Erscheinen von Gomorrha, seines Enthüllungsbuches über die neapolitanische Camorra, kommt Saviano mit dem neuen Sachbuch auf den Markt. Es steht zu erwarten, dass auch »Zero Zero Zero« ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wird. Gomorrha wurde inzwischen in 46 Sprachen übersetzt, der gleichnamige Film von Matteo Garrone wurde in Cannes mit dem Preis der Jury prämiert.

Für Saviano selbst ist der Erfolg ein bitterer Preis geworden: Seit dem Erscheinen des Buches über die Clans von Casale di Principe, Scampia und Seecondigliano muss der Autor unter Schutz einer speziellen Polizeieinheit im Verborgenen leben. Stets zum plötzlichen Umzug bereit, stets auf der Flucht vor einem Heer von Killern, die auf ihn angesetzt sind. Dennoch gibt der Autor nicht auf. In den Jahren seit Gomorrha verfolgte er die Aktivitäten der verschiedenen Mafiaorganisationen. Denn sie alle profitieren vom Drogengeschäft, das einst noch von ihnen verpönt war.

Längst hat sich ein Konglomerat aus illegalem Drogenhandel und legaler Wirtschaft gebildet. Wie Saviano in seinem neuen Werk aufzeigt, sind die Verflechtungen eng: Im Süden werden Kokain und andere Drogen gehandelt, die unermesslichen Gewinne werden in legale Geschäfte nicht nur in Norditalien, auch in der Schweiz, in Deutschland oder Skandinavien investiert. Da passte es, dass am Tage der Ankündigung des neuen Buches die Behörden Mafiaeigentum in Höhe von 1,3 Milliarden Euro beschlagnahmten. Gelder, die aus Holding-Gesellschaften des Cosa-Nostra-Bosses Messina Denaro stammen.

Und die Metastasen der Mafia greifen immer weiter in die europäische Wirtschaft ein.

Dem Einhalt zu bieten, ist das Anliegen Savianos. Trotz aller Probleme und Gefahren lässt der neapolitanische Autor nicht nach zu warnen. Bei Fernsehauftritten, Treffen mit Politikern, wie jüngst mit dem zur Regierungsbildung beauftragten Pierluigi Bersani, in seinen Artikeln und Büchern appelliert Saviano für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal