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Streit ums Restgeld

Kommunen beanspruchen die nicht abgerufenen Millionen aus dem Bildungspaket

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ein Flop. In Berlin wurden gerade mal 37 Prozent der vom Bund dafür bereitgestellten Mittel abgerufen. Nun gibt es Streit darüber, ob die Kommunen Anspruch darauf haben.

Ein Indiz dafür, wie schlecht das Bildungspaket vor Ort ankommt, ist der sich anbahnende Streit zwischen Landessozialministerien, Kommunen und dem Bund. Es geht um die Frage, wem die nicht abgerufenen Millionen aus dem Paket gehören. Der Bund hat 2011 und 2012 etwa 1,6 Milliarden Euro an die Kommunen weitergegeben. Schließlich sind sie für die Umsetzung zuständig. Mit dem Geld sollten bedürftige Kinder unterstützt werden. Etwa durch die Zuschüsse für Vereinsbeiträge, Unterrichtsmaterialien oder Schulessen. Auch Geld für Klassenfahrten oder Nachhilfe sollte es geben. Doch in der Praxis funktioniert die Sache offenbar schlecht. Wie der NDR vor wenigen Tagen berichtete, wurde 2012 in einigen Bundesländern nicht einmal die Hälfte der bereitgestellten Mittel abgerufen. In Berlin sollen es nur 37 Prozent gewesen sein, in Sachsen-Anhalt etwa 44 Prozent. Und auch in Brandenburg sieht es nicht viel besser aus: Hier wurden nur rund 50 Prozent abgerufen.

Nun fordert das Potsdamer Sozialministerium, die übrig gebliebenen 14 Millionen Euro den Kommunen zu lassen. Ministeriumssprecher Florian Engels verweist gegenüber »nd« darauf, dass einige Kommunen zusätzliche Angebote wie Schülerbeförderung und ein kostenloses Mittagessen bereits aus eigener Tasche bezahlten. Zudem müssten die Kommunen für die sich durch das Paket ergebenen zusätzlichen Verwaltungskosten »entsprechend finanziell entlastet werden«. Erschwerend hinzu kommt, dass der Bund den Kommunen das Geld nicht direkt überweisen kann. Sie werden stattdessen über die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Bezieher entlastet. Die Sache ist kompliziert, doch Engels ist sich sicher: Für eine Rückforderung des Bundes gebe es »keine rechtliche Grundlage«. Das Bundessozialministerium aber will das Geld zurück.

Von Anfang an stand das offiziell unter »Bildungs- und Teilhabepaket« firmierende Lieblingsprojekt von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) unter keinem guten Stern. Gedacht war es für die 2,5 Millionen Kinder von Langzeitarbeitslosen, Geringverdienern und Wohngeldempfängern. Doch zunächst hing es monatelang im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern fest und konnte erst mit dreimonatiger Verzögerung zum 1. April 2011 in Kraft treten. Allerdings galt es rückwirkend zum 1. Januar, was zu der paradoxen Situation führte, dass Eltern ihre entsprechenden Ausgaben erstattet bekamen - wenn sie denn wussten wie.

Schnell hatte das Bildungspaket den Spitznamen »Bürokratiemonster« weg. Die Anträge waren teilweise so schwammig und missverständlich formuliert, dass viele Eltern kapitulierten. Pikanterweise nutzen einige Kommunen die unübersichtliche Situation, um Gelder für andere Zwecke abzuzweigen. So berichtete die »Zeit« über einen Verdacht gegen die Region Hannover. Dort sollen im Jahre 2011 etwa 6,4 Millionen Euro aus dem Paket in den allgemeinen Haushalt »überführt« worden sein.

Das deckt sich mit einer neueren Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbands bei 180 sozialen Einrichtungen. Nur ein Drittel der Befragten gab demnach an, dass mit dem Geld aus Berlin zusätzliche Angebote finanziert wurden. Mehr als 70 Prozent hielten das komplizierte Antragsverfahren für das größte Problem.

Für die Eltern wiederum tut sich ein ganz anderes Probleme auf: Die Beträge sind viel zu knapp kalkuliert. So sind etwa für die Musikschule 10 Euro im Monat vorgesehen. Zu diesem Preis findet man keinen seriösen Anbieter.

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