nd-aktuell.de / 12.04.2013 / Politik / Seite 6

Reden wir über Geld

Der Bundesrepublik fehlt eine Reichtumsdebatte - ein Bündnis will sie mit einem Aktionstag anschieben

Ines Wallrodt
Die dezentralen Aktionen für eine solidarische Steuerpolitik am Wochenende wollen nicht mit Masse punkten, sondern durch ihre Breite dazu beitragen, dass überhaupt über Verteilungsfragen diskutiert wird. Parteien dürfen mitmachen, sollen sich aber zurückhalten.

Über Reichtum wird in Deutschland nicht gern geredet. Wie er entsteht, wie er sich mehrt, wie er verteilt, wo er versteckt ist - das ist zwar kein Geheimnis, aber viel diskutiert wird darüber im Allgemeinen nicht. Lediglich Manager mit fantastischen Gehältern haben bislang etwas von der Empörung zu spüren bekommen, die potenziell in dem Thema steckt. An diesem Wochenende soll nun breit über Geld und wer es hat gesprochen werden. In mehr als 80 Städten wollen Bürger auf den vorhandenen Reichtum und seine extrem ungleiche Verteilung in Deutschland aufmerksam machen - mit satirischen Reichendemonstrationen und anderen kreativen Aktionen. So werden vielerorts Menschen in schickem Anzug und mit Sektglas in der Fußgängerzone unterwegs sein - und feiern, dass sie so wenig Steuern zahlen. Auch Kuchen soll ausgeteilt werden: Zwei Drittel davon dürfen zehn Prozent der Anwesenden aufessen, die Hälfte der Menschen kann sich die Krümel, ein Hundertstel, teilen. So sieht die Realität aus.

Das von Attac, Gewerkschaften, Sozialverbänden und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen getragene Bündnis Umfairteilen hat zu den Aktionen aufgerufen. Sie wollen im Wahljahr die Verteilungsfrage auf die Agenda setzen. Bislang war das eine Domäne der Linken - das letzten Sommer gegründete Bündnis geht nun erstmals über dieses Spektrum hinaus. Dass überparteiliche Großorganisationen wie der Paritätische Wohlfahrtsverband ihre Mitglieder aktivieren, auf der Straße Druck zu machen, ist neu.

Das Bündnis kritisiert den Sparkurs in Deutschland als Irrweg und fordert, die öffentlichen Einnahmen zu erhöhen: durch eine dauerhafte Vermögenssteuer, eine einmalige Vermögensabgabe und konsequentes Vorgehen gegen Steueroasen und Steuerbetrug. Bei einem ersten Aktionstag im Herbst waren dafür bundesweit rund 40 000 Menschen auf der Straße. Das war kein Flop, lässt aber viel Luft nach oben, befanden die Organisatoren selbst. Auch an diesem Wochenende wird sich ihr Erfolg kaum an rekordverdächtigen Teilnehmerzahlen ablesen lassen. »Lokal hat sich aber seit dem Auftakt viel getan«, betont Gwendolyn Stilling vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Doppelt so viele lokale Bündnisse gebe es inzwischen. Manche Großorganisation, die im Trägerkreis auf Bundesebene fehlt - die Diakonie etwa oder der DGB - beteiligt sich vor Ort durchaus. »Es ist etwas in Bewegung gekommen«, glaubt Stilling. Die Stärke von Umfairteilen zeige sich demnach in der politischen Breite der Beteiligten und dass in so vielen Städten etwas stattfinden wird.

Berichte über den trotz Krise wachsenden Reichtum einiger weniger finden immer mehr Gehör. Warnungen vor einer Neiddebatte, mit der Verteilungsfragen bislang vom Tisch gewischt wurden, verfangen hingegen weniger, beobachtet Jutta Sundermann von Attac. Ein Selbstläufer sei die Debatte dennoch nicht. Dafür spricht auch, dass der vor Monaten gestartete Aufruf für Umverteilung online erst von knapp 25 000 Menschen unterzeichnet wurde. Bis zur Bundestagswahl sollen es 100 000 werden.

Auch Linkspartei, Grüne und SPD unterstützen die Forderungen, letztere, obwohl sie die Vermögensabgabe nicht im Programm hat. Für Linke ist die Beteiligung der rot-grünen Agenda-Parteien nur schwer erträglich. Manch einer sieht es als Zeichen, dass Umfairteilen nicht weit genug gehe, und warnt, die Proteste würden indirekt Wahlkampfhilfe für Parteien leisten, die in ihrer Regierungszeit mit Steuergeschenken für Reiche und Konzerne die Ungleichheit verschärft haben. Antikapitalistische Gruppen, etwa aus dem Blockupy-Spektrum, halten daher eher Abstand.

Das Umfairteilen-Bündnis betont seine Unabhängigkeit von Parteien, verbucht jedoch als Erfolg, wenn sie nicht an seinen Forderungen vorbeikommen. Attac-Frau Sundermann sieht es nüchtern und wirbt für eine schrittweise Veränderungsstrategie: »Wenn die nächste Regierung alles umsetzt« - was sie nicht glaubt - »sagen wir: Super, aber das war nur der erste Schritt. Jetzt müssen die Sozialversicherungssysteme gerechter werden.«

Das Bündnis ist sich der Vereinnahmungsgefahr gerade im Wahljahr bewusst und hat sich von den Parteien explizit Zurückhaltung erbeten. Auf verschiedene Weise versucht es, Distanz zu wahren: So bekommen Parteivertreter als Redner keine Bühne, und auf der Homepage findet sich ein Hintergrundpapier zur Genese der ungleichen Reichtumsverteilung mit deutlicher Kritik an rot-grüner Regierungspolitik. Umfairteiler wollen zudem in den kommenden Monaten bei allen Parteitagen auftauchen. Zuerst am Sonntag bei der SPD in Augsburg - ganz bewusst draußen vor Tür, nicht drinnen im Saal. Das Bündnis hat die Andeutungen des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück genau registriert, Betriebsvermögen bei der Vermögenssteuer unbeachtet zu lassen. »Das wäre ein gigantisches Steuerschlupfloch«, warnt Sundermann.

Manche vermuten sogar, die klaren Ansagen gegenüber Parteien werden dazu führen, dass sie sich weniger für Umfairteilen ins Zeug legen. Für die LINKE scheint das nicht zuzutreffen. Sie wirbt massiv für die morgigen Aktionen und sorgt in ihren Stellungnahmen dafür, dass nicht vergessen wird, welche Rolle SPD und Grüne bei der Entlastung von Besserverdienenden gespielt haben.

Nach dem Aktionstag und einem Kongress im Mai soll es kurz vor der Wahl zwei große gebündelte Demonstrationen für Umverteilung des vorhandenen Reichtums geben, voraussichtlich in Berlin und Bochum. Das Projekt ist mit dem Wahltag aber nicht zu Ende. Das Bündnis will aufpassen, dass es nicht bei bloßen Absichtserklärungen bleibt. »Entscheidend ist, was schließlich im Koalitionsvertrag steht«, betont Stilling vom Paritätischen. Je stärker die soziale Mobilisierung vor der Wahl, desto eher lässt sich auch danach gegen unsoziale Reformen egal welcher Regierungskonstellation mobilisieren.

Infos: umfairteilen.de[1] und im Dossier nd-online.de/Umfairteilen[2]

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Breiter aufgestellt als in vielen anderen Städten der Republik ist das Umfairteilen-Bündnis im Saarland.[3]

Links:

  1. http://umfairteilen.de
  2. http://www.nd-online.de/Umfairteilen
  3. http://www.nd-aktuell.de/artikel/818515.im-kleinen-saarland-groesser.html