Wie es den Fischen gefällt

Korea - von der Kolonie zum geteilten Land

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Publikationen über die beiden koreanischen Staaten haben hierzulande immer dann Konjunktur, wenn dramatische Ereignisse auf der ostasiatischen Halbinsel zu erhöhtem Informationsbedarf führen. Bislang funktionieren die alten Zuweisungen: Die Demokratische Volksrepublik Korea im Norden ist ein »Schurkenstaat«, die Republik Korea im Süden eine Demokratie und eine aufstrebende Industrienation. Rund ein Jahrzehnt ist seit der letzten Korea-Buchschwemme vergangen - ein Zeitraum also, um dem bereits Beschriebenem Neues hinzuzufügen. Mit dem neuen Konflikt wird es gewiss auf dem deutschen Buchmarkt bald weitere Korea-Bücher geben.

Das hier vorzustellende Buch nimmt de facto eine Vorreiter-Rolle ein. Bekannte und weniger bekannte Geschichten werden neu erzählt. In ein Gleichnis kleiden die Autoren Yul Song und Rainer Werning ihre Botschaft: Wer weiß, wie Fische sich fühlen, wenn sie im Wasser springen? - Wir sind keine Fische, also können wir es nicht wissen. Oder doch?

Das aktuelle Wissen um die tatsächlichen Verhältnisse in Nordkorea ist überschaubar. Wir wissen, dass das Land einen neuen Führer hat, atomare Waffen im Verborgenen lagern und das Volk hungert. Jede weitere Information läuft durch zweite, dritte oder vierte Hand, der Wahrheitsgehalt ist kaum nachprüfbar. Der Rest entzieht sich der allgemeinen Kenntnis und bleibt im Bereich der Spekulation. Die Volksrepublik gibt keine Geheimnisse preis, sie lässt sich nicht in die Karten schauen. Weder wirtschaftliche Fakten, noch soziale oder gesellschaftliche Entwicklungen lassen sich aus den offiziellen Mitteilungen aus Pjöngjang herauslesen. So bleibt dieses Land im Nebel mystischer Unwirklichkeit, den auch die Autoren nicht durchdringen können. Sie versuchen, in beide Richtungen zu verteilen, tatsächlich ist die Kritik an den südlichen Verhältnissen weitaus ausgeprägter als am Kurs der nordkoreanischen Führung. Warum eigentlich?

Gefährlich wird es aber dann, wenn versucht wird, die nordkoreanische atomare Rüstungspolitik mit den Wahnvorstellungen einiger amerikanischer Militärs zu rechtfertigen. Es gab zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder Überlegungen radikaler US-Generale, das Nordkorea-Problem mit einem nuklearen Erstschlag zu lösen. Ernsthaft in die amerikanische Politik sind die Schubladen-Spiele jedoch nie eingeflossen. Man darf sie ebenso wenig ernst nehmen wie das hysterische Kriegsgeschrei aus dem Norden vor jedem südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver. Es gibt keine Rechtfertigung für den atomaren Kurs der nordkoreanischen Führung. Ebenso wenig für die totale Militarisierung des gesamten Lebens. Die völlige Orientierung auf die Armee frisst einen Großteil der Ressourcen. Die wirtschaftlich katastrophale Lage ist nicht allein mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus und verheerenden Naturkatastrophen zu erklären.

Einschübe, Rückblenden, Erinnerungsberichte und Zeitsprünge in die Vergangenheit verleihen dem Buch Authentizität, führen teils aber auch zur Unterbrechung eines einheitlichen Geschichtsfadens. Richtig ist zweifellos die Warnung der Autoren, dass ständiger Druck auf Nordkorea das Ziel verfehlt und eher eine unerwünschte Gegenreaktion auslöst. Eine auf Frieden und Stabilität in der Region orientierte Politik muss auf Druck und Erpressung verzichten und die Nordkoreaner mit ihrer Führung so nehmen, wie sie sind. Daran hat es in all den Jahren in der US-Außenpolitik gehapert. Und darauf zu warten, dass das nordkoreanische System zusammenbricht - auch hier ist den Autoren voll zuzustimmen - wäre eine gefährliche Illusion mit möglicherweise fatalen Folgen für die Sicherheit im asiatisch-pazifischen Raum. Verdienst dieses Buches ist es, deutlich zu machen, dass auch die koreanische Welt nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht.

Yul Song/Rainer Werning: Korea. Von der Kolonie zum geteilten Land. Promedia Verlag, Wien. 208 S., br., 15,90 €.

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