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Der mutmaßliche Rapper

Bushido und die Mafia

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Satiremagazin »Titanic« brachte einst einen schönen Kommentar zu plötzlich an den Haaren auf die Titelseiten gezogenen Aufregern über lange bekannte Sachverhalte: »Schrecklicher Verdacht: war Hitler Antisemit?« Dem nicht nachstehend, es aber ernst meinend, verkündet das Magazin »Stern« in seiner neuen Ausgabe sinngemäß »Schrecklicher Verdacht: hat Bushido etwas mit der Mafia zu tun?«

Hintergrund der Titelgeschichte ist eine vom »Stern« abgedruckte notarielle Vollmacht, in der der Berliner Rapper Bushido seinem Intimus und Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker volle Verfügung über sämtliche materielle Güter einräumt - über seinen, Bushidos, Tod hinaus. Abou-Chakar, so wird im Artikel gemutmaßt, sei »Anführer eines Mafia-Clans«. Das »mutmaßlich« allerdings sparen sich die Redakteure.

Das mag eine bemerkenswerte Vollmacht sein - wobei der Vergleich fehlt, weil notarielle Dokumente normalerweise nicht in den Bunten Blättern erscheinen. Mit der marktschreierischen Aufmachung aber erfüllt die Illustrierte die von der »Titanic« aufs Korn genommenen Kriterien: Der Zeitpunkt der Empörung ist im besten Fall willkürlich, der Sachverhalt ist allgemein bekannt.

Vor allem aber wird er von keinem der nun »Beschuldigten« geleugnet, sondern im Gegenteil seit Jahren in Interviews, auf Bushidos Platten und in der schriftlichen wie in der verfilmten Autobiografie immer und immer wieder formuliert: Seht her ihr schwachen Bürger mit eurem illusionären Glauben an den Rechtsstaat - ich habe es so weit gebracht, weil ich mich eben nicht auf das Gesetz, sondern meine Mafia-Kumpel verlassen habe. Der »Stern« hätte also mit dem gleichen Nachrichtenwert verbreiten können, Bushido mache mutmaßlich Hip-Hop-Musik.

Die Rechercheure des Magazins hätten spätestens 2008 über das innige Verhältnis Bushidos zur hauptstädtischen Parallelwelt stolpern können. In seinem Buch »Bushido« beschreibt der Musiker stolz, wie einst ein befreundeter Berliner Mafia-Pate allein durch seine Anwesenheit bewirkte, dass der »Rüpel-Rapper« frühzeitig aus einem unvorteilhaften Vertrag entlassen wurde.

Die Szene erinnert fatal an eine Begebenheit in Mario Puzos Mafia-Drama »Der Pate«. Viele Leser haben sie darum wahrscheinlich als Marihuana-Traum eines Möchtegern-Gangsters abgetan - so wie die zahllosen anderen Mafia-Referenzen in Bushidos »Werk«. Der »Stern« führt nun aber den Beweis, das sich hinter Bushidos Gangster-Show tatsächlich/mutmaßlich Substanz verbergen könnte. Glaubwürdigkeit gilt als harte Währung im Gangster-Rap. Das Magazin hat Bushidos Kurs gerade nach oben getrieben.

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