nd-aktuell.de / 24.04.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 16

Deutsche Telekom kappt die Netzneutralität

Experten warnen vor Einschränkung des Internets

Robert D. Meyer
Der Markt für schnelle Internetanschlüsse steht durch eine Entscheidung der Deutschen Telekom möglicherweise vor einer grundlegenden Veränderung. Wer für viel Datenaufkommen sorgt, dem soll künftig die Geschwindigkeit gedrosselt werden.

Grenzenloses Surfen zum Festpreis? Womit Internetanbieter seit Jahren werben, gilt in naher Zukunft nicht mehr uneingeschränkt für Neukunden der Deutschen Telekom. Der Bonner Konzern kündigte in einer Pressemitteilung das Ende der Flatrate-Ära im Festnetz an. Wer ab dem 2. Mai einen neuen DSL-Vertrag bei der Telekom abschließt, wird im Kleingedruckten künftig den Verweis auf eine Daten-Obergrenze finden.

Deren Höhe richtet sich nach dem jeweiligen Tarif. Wer etwa einen Vertrag mit einer Geschwindigkeit von 16 Megabit pro Sekunde abschließt, bekommt dann nur noch die ersten 75 Gigabyte Datenvolumen mit voller Geschwindigkeit. Überschreitet der Kunde diese Grenze, drosselt die Telekom den Anschluss drastisch auf 384 Kilobit pro Sekunde. Alternativ kann man sich weitere Datenpakete hinzukaufen. Viele inzwischen zur Normalität gewordenen Angebote, wie etwa Videodienste, wären mit solch einer Regelung kaum noch nutzbar oder würden indirekt deutlich teurer. Genau um solche datenintensiven Angebote geht es der Telekom aber bei ihrer Entscheidung offiziell.

Direkte Auswirkungen auf die Nutzer wird es voraussichtlich nicht sofort geben. Die Bonner kündigten an, zwar die Vertragsbedingungen zu ändern, mit der technischen Umsetzung aber noch zu warten. »Wir gehen bisher davon aus, dass wir die Limitierung technisch nicht vor 2016 umsetzen«, erklärte Michael Hagspihl, Geschäftsführer Marketing der Telekom Deutschland. Als Grund für den Vorstoß nannte das Unternehmen die stetig wachsenden Datenströme im Internet, die sich nach Ansicht der Telekom bis 2016 vervierfachen werden.

Allerdings lässt der magentafarbene Riese eine Ausnahme zu, die für reichlich Zündstoff unter Verbraucherschützern sorgt. So sollen konzerneigene Dienste, wie das Internet-TV namens Entertain, bei der Berechnung des angefallenen Datenvolumens außen vor bleiben. Wer im Vergleich dazu einen Film bei einem der vielen Telekom-Konkurrenten schaut, bekommt dies auf sein Datenkontingent angerechnet. Bei einem Film in hoher Auflösung sammeln sich schnell Datenvolumen von fünf Gigabyte und mehr an
Mit diesem Vorgehen bricht die Telekom mit dem bisher weitgehend von allen Anbietern eingehaltene Prinzip der Netzneutralität. Laut dem Gebot sollen die Daten eines bestimmten Dienstes nicht bevorzugt übertragen werden. Eine gesetzliche Pflicht zur Neutralität gibt es allerdings nicht, lediglich auf EU-Ebene existiert eine unverbindliche Empfehlung.

Mehr als 80 Bürgerrechts- und Verbraucherorganisationen wollen dagegen eine konkrete gesetzliche Regelung. In einem offenen Brief fordern sie die EU-Kommission auf, die Neutralität des Netzes zu gewährleisten. Große Unternehmen schränkten diese immer häufiger ein. Einige wenige Anbieter könnten dann entscheiden, welche Dienste ohne Einschränkung zur Verfügung stehen und welche Daten bevorzugt über die Datenautobahn geschickt werden. Zu den Unterstützern eines Gesetzes zur Netzneutralität gehört auch der Verbraucherzentrale Bundesverband.