Guter Hektar, böser Hektar

Zum Auftakt der Leipziger Landwirtschaftsmesse agra wurde über die anstehende EU-Agrarreform diskutiert

  • Hendrik Lasch. Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Landwirtschaftsausstellung agra 2013 wird von den Debatten um die künftige EU-Agrarpolitik bestimmt. Die ostdeutschen Bauern fürchten die Kappung der Direktzahlungen - die aber wohl kaum noch abzuwenden ist.

Sechs zu eins: So sieht ein klares Ergebnis aus. Sechs Teilnehmer des agrarpolitischen Forums, mit dem am Donnerstag die Landwirtschaftsausstellung agra 2013 in Leipzig eröffnet wurde, sprachen sich vehement gegen jede Kappung der EU-Direktzahlungen an die Landwirte aus; nur eine Diskutantin hielt dagegen und wird am Ende wohl Recht behalten: »Die Kappung wird kommen«, sagte die irische EU-Abgeordnete Mairead McGuiness. »Das wird nicht mehr verschwinden.«

McGuiness ist eine wichtige Frau bei den Gesprächen, in denen sich Parlament, Kommission und die Mitgliedsstaaten derzeit über die künftige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Europa einigen sollen: Sie ist Schattenberichterstatterin zum Thema Direktzahlungen. Wie das Geld unter den Landwirten in Europa künftig verteilt wird, gehört zu den schwierigsten Themen der Verhandlungen, für die bis Ende des Monats 34 Arbeitstreffen geplant sind. Ein Knackpunkt aus Sicht der Ostdeutschen: Sollen die Zahlungen bei einer bestimmten Summe gekappt werden, und werden dabei Leistungen wie etwa Lohnzahlungen für die Angestellten ausgeklammert oder nicht?

Zahlen & Fakten Agra

Andrang auf der agra
Die agra ist die größte Landwirtschaftsausstellung in Ostdeutschland. Sie findet alle zwei Jahre auf dem Leipziger Messegelände statt und knüpft an die seit 1953 in Markleeberg ausgerichteten Agrarschauen an. 2011 zog die agra 50 300 Besucher an. Dieses Jahr wird auf der Schau, die noch bis 28. April läuft, mit einer ähnlichen Zahl gerechnet. Auch der Andrang der Aussteller ist ungebrochen: Gemeldet sind 950 Betriebe, Verbände und Institutionen.

Ausgestellt werden Großgeräte, Ausrüstungen für Ställe und Anlagen zur Energieerzeugung. Die Angebote für Besucher reichen von Tierschauen über Foren zum Image der Landwirtschaft und der beruflichen Zukunft bis zu Seminaren zur Brennholzherstellung. Selbst Traktoren können die Besucher gegen einen kleinen Obolus fahren. Auf einem »Marktplatz« können Agrarprodukte an Ort und Stelle verzehrt werden. hla

Politik und Standesvertreter im Osten sind sich in der Frage einig. Es gebe »kein durchschlagendes Argument« dafür, Betriebe abhängig von ihrer Größe unterschiedlich zu bezuschussen, sagte Fritz Jaeckel, Staatssekretär im Staatsministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Sachsen. Die Idee, Höchstsummen bei den Direktzahlungen festzulegen oder bei Großbetrieben die Zuweisungen mit steigender Ackerfläche zu reduzieren, sei ein »K.-o.-Kriterium für hiesige Strukturen«, erklärte Helmut Gumpert, Chef des Landesbauernverbandes in Thüringen. Und Anne-Marie Keding, Staatssekretärin im Magdeburger Agrarministerium, formuliert kurz und knapp: »Es gibt keinen guten und keinen bösen Hektar.«

McGuiness hat für den Protest volles Verständnis. Ihr Mann sei Landwirt, sagte sie. Deshalb wisse sie, wie Bauern argumentieren: »Sie sind sehr leidenschaftlich, und sie sagen Nein!« Allerdings hält sie den Widerstand für nicht sehr aussichtsreich. Die Politikerin, die der konservativen Fraktion des Europaparlaments angehört, erinnerte daran, dass über den EU-Haushalt zwar weiter gestritten werde; der Posten für die Landwirtschaft werde aber nicht wachsen. Zunächst sei sogar eine 30-prozentige Reduzierung geplant gewesen, die nur abgewendet wurde, indem ein Teil der Gelder künftig für das »Greening«, ein Paket zum Schutz von Landschaft und Umwelt, reserviert wird. Zugleich sei es erklärtes Ziel der EU-Agrarpolitik, das Niveau der Zuschüsse innerhalb der EU und der Mitgliedsstaaten ausgewogener zu gestalten. Beides zusammengenommen, »wird es schwierig, gegen die Kappung zu argumentieren«.

Zudem weht auf europäischer Ebene den Ost-Landwirten der Wind stark ins Gesicht: Das EU-Parlament hat sich klar für eine Kappung ausgesprochen; auch die Kommission hat sich festgelegt. Die Europaabgeordnete hält es deshalb für aussichtsreicher, sich auf das Ringen um die Modalitäten zu konzentrieren. So gebe es im Parlament Unterstützung für den Gedanken, die Lohnkosten auszuklammern. Das sei ein »vernünftiger und rationaler« Ansatz, sagte sie: »Wir dürfen Betriebe nicht benachteiligen, die arbeitsintensiv wirtschaften.«

Die Einsicht, dass es in Sachen Kappung nicht mehr um das Ob geht, sondern nur noch um das Wie, wächst offenbar auch in der Branche. Wolfgang Vogel, Präsident des Bauernverbandes in Sachsen, gab McGuiness zwar noch einmal unverblümt zu verstehen, dass er den Ansatz strikt ablehnt. Er appellierte, den diesbezüglichen Konsens zwischen Bund und allen Ländern nicht preiszugeben. »Wenn wir aber überhaupt über Kappung diskutieren«, fügte er an, dann müsse über die Frage der Lohnkosten geredet werden.

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