Der NSU-Prozess im "nd"

Opfer, Angeklagte, Verantwortliche, Gedenken

  • Lesedauer: 5 Min.

Die Angeklagten im NSU-Prozess

Neben Beate Zschäpe sitzen am Montag vier Männer auf der Anklagebank: Ralf Wohlleben, einer der führenden Neonazis in Thüringen, wurde am 29. November 2011 verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, Beihilfe zu sechs Morden geleistet zu haben. André Eminger, der anfangs in Johanngeorgenstadt Neonazi-Kameradschaften dominierte, wurde zwei Wochen nach Aufdeckung des NSU im Brandenburger Dorf Grabow bei seinem Zwillingsbruder verhaftet. Er sei, so hieß es damals noch, verdächtig, bei der Produktion der Paulchen-Panther-Bekennervideos mitgeholfen zu haben. Der Speditionsmitarbeiter Holger Gerlach gehörte Anfang der 1990er Jahre zur »Kameradschaft Jena«. Laut Anklageschrift besorgte er dem NSU Führerschein, Reisepass, ADAC- und AOK-Karten. Carsten Schultze brachte es bis zum NPD-Kreis- und zum Vizelandeschef der Jungen Nationaldemokraten. In der Anklage liest man: »Der Angeschuldigte stieg jedoch Ende des Jahres 2000 aus der rechten Szene aus.« Er soll Wohlleben bei der Beschaffung einer Waffe geholfen haben.

Lesen Sie die Porträts der Angeklagten online oder am 6. Mai auf S. 2 und 3 in "neues deutschland".

Keine Aussicht auf eine neue Ära

Nach viel absurdem Theater soll am heutigen Montag der erste von über 80 angesetzten Verhandlungstagen in München stattfinden. Doch das NSU-Verfahren dürfte für viele in einer Enttäuschung enden:
Wer erinnert sich noch an Ayca Tolun? Vor ein paar Wochen sah es noch so aus, als würde die WDR-Journalistin für Monate Deutschlands Gesicht im südöstlichen Ausland abgeben; als einzige türkischsprachige Journalistin hatte sie bei der Blitzvergabe der Plätze im Gerichtssaal Glück gehabt und wurde bereits durchs Frühstücksfernsehen gereicht. Womöglich wird Frau Tolun jetzt auch tatsächlich berichten, denn der WDR hatte auch bei der Platzverlosung wieder Erfolg. Doch nach der Intervention des Bundesverfassungsgerichts und nach dem neuen Losverfahren, das über komplizierte Kontingentbildungen auch türkischsprachige Medien berücksichtigte, ist das türkischsprachige Publikum nun gut versorgt: Neben der Zeitung »Sabah«, die in Karlsruhe geklagt hatte, sind auch der Sender Ebru TV, die Nachrichtenagentur IHA, die Zeitungen »Hürriyet« und »Evrensel« sowie das Istanbul-Büro von Al Dschasira dabei. Und vielleicht ist Ayca Tolun ganz erleichtert über die neue Situation. Der Job der Deutschlanderklärerin wäre nicht leicht gewesen unter den bisherigen Umständen. Die türkischsprachige Öffentlichkeit, sagte sie damals im Morgenmagazin, glaubt ohnehin schon lange an eine Verschwörung.

Lesen Sie die Reportage von Velten Schäfer online (kostenpflichtig) oder am 6. Mai auf S. 5 in "neues deutschland".

Am Prozess mäßig interessiert

Für viele Türken ist das Urteil über den NSU-Prozess in München bereits gefällt. Und zwar gegenüber Personen, die gar nicht auf der Anklagebank sitzen: Die deutschen Sicherheitsbehörden sind in ihren Augen Teil des Problems um den Nationalsozialistischen Untergrund.

Lesen Sie den Beitrag von Jan Keetman online oder am 6. Mai auf S. 4 in "neues deutschland".

Vor dem Bahnhof DFB, dahinter NSU

Mit Gedenktafeln und Gedenksteinen erinnern die sieben Städte, in denen die NSU-Terroristen mordeten, an die Opfer. Nicht immer glaubwürdig: Links die stark befahrene, vierspurige Mallinckrodtstraße, rechts ein viel zu enger Bürgersteig, von dem auch noch ein Stück als Radweg abgetrennt ist: Es ist nicht ganz ungefährlich, sich dem so eingezwängten, gut einen Quadratmeter großen Areal zu nähern. Einst diente es als Parkplatz, nun soll es Ort der Andacht sein. »Zum Gedenken an Mehmet Kubasik«, steht seit einem halben Jahr auf dem Gedenkstein. »Ermordet am 4. April 2006 durch rechtsextreme Gewalttäter«; das Wappen der Stadt Dortmund ist zu erkennen.

Wettrennen, Lostöpfe, Klagen: Der Streit um die Presseplätze

»Brigitte«. Das letzte Medium, das im Losverfahren um die Presseplätze im Gerichtssaal gezogen worden war, erntete auf der Pressekonferenz des Oberlandesgerichts München Gelächter. Bei Twitter war die Platzvergabe an die Frauenzeitschrift für einen der wichtigsten politischen Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik ein einfaches Ziel für Spott und Häme. Doch nicht die Zeitschrift ist lächerlich. Ihr Losglück, das etwa namhaften überregionalen Tageszeitungen verwehrt blieb, war nur das Sahnehäubchen auf dem absurd großen Haufen von Fehleinschätzungen, Pannen und Ignoranz, den das Oberlandesgericht beim Akkreditierungsverfahren zuvor aufgetürmt hatte.

Lesen Sie den Beitrag von Markus Drescher online (kostenpflichtig) oder am 6. Mai auf S. 5 in "neues deutschland".

An der Seite von Wohlleben

Im Namen von Recht und Ehre. Eine Anwältin streitet für einen NSU-Verdächtigen: 18. April 2013, NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Befragung der Verfassungsschutzagentin Bettina Neumann, einst beim Landesamt in Baden-Württemberg, jetzt beim Bundesamt zuständig für Rechtsextremismus, durch den Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD). Es geht um eine Rechtsanwältin. Sie heißt Nicole Schneiders. Sie vertritt den ihr wohlbekannten mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben im NSU-Prozess.

Lesen Sie das Protokoll einer Untersuchungsausschuss-Sitzung online (kostenpflichtig) oder am 6. Mai auf S. 3 in "neues deutschland".

NSU, ein Anagramm von UNS? Über das öffentliche Bild der Beate Zschäpe

Beate Zschäpe, die Normale. Beate Zschäpe, eine von uns? Immer neue Bilder der mutmaßlichen Terroristin kursieren in den Medien. Mal die schüchterne Sechzehnjährige, die verlegen in ihrem Haar spielt. Dann fast wie ein Hippie im Sommer der Liebe: Beate beim Sonne tanken auf Treffen der rechten Szene. Später verwuschelte Schlafzimmerbilder und trautes Heim mit den beiden Uwes. Beate auf dem Campingplatz und ganz neu: Beate beim Aerobic auf Fehmarn.

Lesen Sie den Beitrag von Diego Castro online oder am 6. Mai auf S. 15 in "neues deutschland".

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