Variable Vergütung im Ermessen des Arbeitgebers?

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Eine vertragliche Regelung, die die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam.

Zu dieser Entscheidung kam das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mit Urteil vom 14. November 2012 (Az. 10 AZR 783/11), wie die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Dr. Alexandra Henkel vom VDAA, informiert.

Im vorliegenden Fall errechnete sich das Gehalt aus 60 Prozent Festbezügen und einer variablen Vergütung (Tantieme) von 40 Prozent der Gesamtbezüge beziehungsweise des Zieleinkommens. Die jeweiligen Gesamtbezüge und Zieleinkommen sowie die konkrete Höhe des variablen Teils wurden seitens des Arbeitgebers grundsätzlich jährlich für ein Geschäftsjahr (1. Juli des Jahres bis 30. Juni des Folgejahres) neu festgelegt.

Daraus folgt: Der Arbeitgeber muss sich bei der Ermessensausübung an bestimmten festgelegten Kriterien orientieren (Inhalt der Aufgabe und dem damit verbundenen Verantwortungsbereich; Größen aus dem Vorjahr bezüglich individueller Leistung, dem Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit). Die konkrete variable Vergütung wird dann anhand von vier vor Beginn des Geschäftsjahres festgelegten Kriterien errechnet: nach dem Grad der Zielerreichung der konkreten individuellen Ziele, dem Erfolg des Unternehmens, dem Erfolg der Unternehmenseinheit sowie der Betriebstreue.

Es ist im Vertrag die Erwartung formuliert, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr vollständig weiter erfolgreich für das Unternehmen tätig ist. Die genauen Kriterien der Zielvereinbarung sind ausführlich in einem Handbuch geregelt. Weder das Verhältnis der verschiedenen Faktoren zueinander noch die Höhe des Gesamtbetrages sind festgelegt.

Das BAG entschied hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Regelungen:

1. Die vertragliche Regelung, die die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Dem Arbeitnehmer werde hier bereits erarbeiteter Lohn wieder entzogen, und er werde länger gebunden als der Bezugszeitraum für die variable Vergütung (Geschäftsjahr - also bis 30. Juni) vereinbart sei.

Allerdings hält das BAG die in der vertraglichen Vereinbarung enthaltenen Ermessensregelungen für den Arbeitgeber für wirksam. Die Vereinbarung regele ausdrücklich und hinreichend transparent ohne unangemessene Benachteiligung, dass der Arbeitgeber die Höhe des Zielgehaltes und die Höhe der variablen Bezüge nach billigem Ermessen festlegen dürfe und an welchen Kriterien er sich hierbei orientieren müsse.

Das billige Ermessen bei Festlegung des Zieleinkommens und des variablen Anteiles unterliege einschließlich der Erreichbarkeit der Ziele gem. § 315 BGB der vollen gerichtlichen Kontrolle mit der Möglichkeit der eigenen Festlegung durch das Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bei Nichteinhaltung.

2. Es gilt ein abgestuftes System der Darlegungslast, wobei zunächst die Beurteilungen in der Zielvereinbarung maßgeblich sind. Des Weiteren bestehe grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum für die Arbeitgeberseite. Erst wenn der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen substanziiert bestreitet, muss der Arbeitgeber mehr vortragen und schließlich beweisen.

Der Grad der Erreichung sogenannter harter (quantitativer Ziele) wie beispielsweise Umsatz- oder Kundenzahlen sind seitens des Arbeitgebers dann ganz konkret vorzutragen. Bei sogenannten weichen (qualitativen) Zielen wie beispielsweise das Führungsverhalten muss der Arbeitgeber seine Wertungen auf entsprechendes Bestreiten (nur) so weit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Soweit solche Wertungen auf bestimmte Einzelvorkommnisse oder Bewertungen anderer Mitarbeiter (Upward-Feedback) gestützt werden, sind diese konkret zu benennen. Reine Werturteile reichen alleine für eine negative Bewertung nicht aus.

Das Urteil des BAG, so die Fachanwältin, ist hilfreich, denn damit steht fest, dass - jedenfalls bei Festlegung der Berechnungsfaktoren - grundsätzlich variable Gehaltsbestandteile im Ermessen des Arbeitgebers liegen können.

Tipp für die Praxis: Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die Faktoren, anhand derer sich dann ein variabler Vergütungsbestandteil bemisst, absolut nachvollziehbar und transparent festgehalten sein müssen, bevor die Bewertungsperiode beginnt. Des Weiteren sollten hier akribisch alle für die Bewertung erforderlichen Informationen gesammelt und dokumentiert werden, damit sie gegebenenfalls in einem Prozess substanziiert vorgetragen werden können.

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