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Japan auf Wachstumskurs

Nippons Wirtschaft legt wieder zu - die Realeinkommen könnten aber fallen

  • Felix Lill, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Japans Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um aufs Jahr gerechnete 3,5 Prozent. Das heißt aber nicht, dass alle Probleme gelöst sind.

Die Kleidung dürfte jetzt noch knapper werden. Je besser es Japans Wirtschaft gehe, so hat die Popgruppe »Machikado Keiki Japan« versprochen, desto weniger Stoff tragen sie bei ihren Auftritten. Seit einigen Wochen geistern die vier jungen Damen durch die Medien und wollen Japaner zum Geldausgeben animieren. »Wenn der Nikkei 225 unterhalb von 10 000 Punkten liegt, treten wir mit sehr langen Röcken auf«, hat die 23-jährige Müsikerin Mori Kanon erklärt. Als Japans Leitindex im April durch die 13 000-Punktegrenze geschossen war, traten die Mädchen ganz ohne Röcke auf.

Am Donnerstag präsentierte Japans Regierung die Wachstumsdaten für das erste Quartal, und die fielen besser als erwartet aus. Aufs Jahr gerechnet ist das Bruttoinlandsprodukt der drittgrößten Volkswirtschaft von Januar bis Ende März um 3,5 Prozent gewachsen. Das ist der stärkste Wachstumswert seit einem Jahr, Ende 2012 hatte sich das Land noch in der Rezession befunden. Analysten waren von 2,7 Prozent ausgegangen.

Während Investitionen aus der Privatwirtschaft ihren schwächsten Wert seit Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe im März 2011 verzeichneten, waren vor allem der Binnenkonsum sowie der Außenhandel stark. Der Privatkonsum, der rund 60 Prozent der japanischen Wirtschaftskraft ausmacht, steuerte 2,3 Prozent bei. Die Exporte, deren starker Rückgang 2012 mitverantwortlich für ein Handelsdefizit war, nahmen ebenfalls wieder zu.

Diese Daten sind Wasser auf die Mühlen Shinzo Abes. Mit seiner Politik des lockeren Geldes und großer Staatsausgaben will der Premierminister Japan aus einer nun zwei Jahrzehnte währenden Stagnation zu führen. Unter dem Schlagwort »Abenomics« brachte er im Januar ein gewaltiges Konjunkturprogramm von 170 Milliarden Euro auf den Weg. Im März setzte Abe den ihm gefälligen Zentralbanker Haruhiko Kuroda an die Spitze der Bank of Japan. Durch massive Käufe japanischer Staatsanleihen und eine Verdopplung der Geldbasis will die Zen- tralbank innerhalb von zwei Jahren eine Inflationsrate von zwei Prozent erreichen.

Das gilt als Herzstück von »Abenomics«, denn seit zwei Jahrzehnten plagt Japan eine leichte Deflation, also fallende Preise. Erwarten Unternehmen und Konsumenten weiter ein sinkendes Preisniveau, so hält sie dies von Investitionen und Einkäufen ab. Seit Amtsantritt von Kuroda aber haben sich positive Erwartungen und ein besseres Geschäfts- und Konsumklima eingestellt. Zudem hat der Yen binnen eines halben Jahres rund ein Viertel seines Wertes gegenüber dem Dollar verloren, was die japanische Exportindustrie unterstützt. Auch so ist zu erklären, dass der Nikkei 225 zuletzt massiv zugelegt hat und nun schon bei über 15 000 Punkten liegt.

Sollte nun aber die gewünschte Inflation eintreten, dürfte dies auf den derzeit starken Konsum drücken. Die verfügbaren Einkommen japanischer Haushalte stiegen zuletzt wieder leicht an, allerdings nur wegen des sinkenden Preisniveaus. Mit Inflation würden die Realeinkommen der Japaner fallen, und damit wohl auch der Konsum. Hinzu kommt, dass Japans Sparquote nur noch bei rund zwei Prozent liegt, über Reserven verfügen viele Menschen also nicht.

Ohne steigende Löhne stehen Fragezeichen über der Nachhaltigkeit von Japans Wirtschaftsaufschwung, von der hohen Staatsschuld von mehr als dem Doppelten der jährlichen Wirtschaftsleistung ganz abgesehen. Aber für den Fall steigender Löhne hat sich »Machikado Keiki Japan« bisher keinen Dresscode ausgedacht.

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