nd-aktuell.de / 30.05.2013 / Kultur / Seite 12

Präzision und Spiel

Anna Hubers »zwischen jetzt« in den Uferstudios

Die Berlin-Berner Choreografin Anna Huber zeichnet sich durch das komplexe Zusammenspiel so widersprüchlicher Eigenschaften wie Präzision und Offenheit, überlegter Gestaltung und Flüchtigkeit aus. Bei ihrer aktuellen Produktion »zwischen jetzt« hat sie mit der zeitgenössischen Komponistin Isabel Mundry zusammengearbeitet. Das Stück für fünf Tänzer, vier Streicher (das Galatea Quartett) und eine Schlagzeugerin ist vom 30.5. bis 1.6. als Deutschlandpremiere in den Uferstudios zu sehen.

nd: Anna Huber, gewöhnlich leisten sich nur noch große Festivals Auftragskompositionen in zeitgenössischer Musik. Wie kommt es, dass eine einzelne Choreografin sich so etwas wagt?
Huber: Ich kenne Isabel Mundry schon länger und der Wunsch nach einer größeren Zusammenarbeit war gegenseitig. Sie hat bereits drei kleinere Klavierstücke für ein früheres Stück namens »tasten« von mir geschrieben.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Wir waren schon frühzeitig in einem ganz engen Kontakt. Noch bevor ich die Tänzer engagiert hatte, haben wir gemeinsam ein Thema formuliert. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie einen ganz anderen Arbeitsprozess hat als ich. Sie brauchte eine Vorlage, eine Art Skript. Mir hingegen sind Offenheit und Flexibilität bis zum Ende wichtig. Aber mir war auch klar, dass sie bei dieser komplexen Musik nicht in der letzten Woche noch einmal eine ganze Seite umschreiben kann.

Wie haben Sie diese unterschiedlichen Arbeitsweisen miteinander harmonisiert?
Es gab ein grobes Raster für das Stück. Als die Musik kam, haben wir Tanz und Musik aneinander angepasst, Pausen und Fermaten gesetzt. Wir haben vereinbart, wann die Musiker auf die Tänzer reagieren und umgekehrt.

Sie haben schon zuvor mit Künstlern aus anderen Bereichen zusammengearbeitet, zuletzt mit dem Videokünstler Yves Netzhammer. Woher kommt dieses Interesse?
Es war schon immer da. Bei allen meinen Stücken haben Musiker und Komponisten die Musik entwickelt, die dann oft auch live aufgeführt wurde. Das ist mir wichtig. Und auch der Bezug zu Licht und Raum war mir immer wichtig. Mein Interesse besteht nicht darin, Tanz als virtuose Bewegung zu zeigen, sondern immer in Verbindung mit dem Raum. Ich denke, dass das dann auch eine besondere Qualität für den Tanz gibt.

Ihr Stück »zwischen jetzt« hat die Flüchtigkeit schon im Titel. Wie gehen Sie mit dem Widerspruch um, Flüchtiges zeigen zu wollen, dabei aber doch eine stabile Aufführung zu gewährleisten?
Ich arbeite gern in Widersprüchen. Wenn ich selber tanze, kann ich ja immer weitergehen. Wenn ich mit anderen Tänzern arbeite, will ich nicht das Risiko eingehen, dass sie sich verletzen. Auch ist mir die Arbeit am Detail wichtig, die Präzision. Aber gleichzeitig liebe ich das Spiel, den Moment des Unerwarteten. Das ist eine Gratwanderung. Von Aufführung zu Aufführung wollen wir da einen Schritt weiter kommen.

Fragen: Tom Mustroph